Die Hexen - Roman
herausgefunden hast. Vernon, Garois und Quin – ihr kommt mit mir. Beeilung!«
»Was ist denn hier los?« Ravenna drehte sich um, aber Lucian ließ sie einfach auf der Schimmelstute sitzen. Im Laufschritt eilten er und die Gerufenen durch den Hof. »Alle anderen bleiben, wo sie sind!«, befahl Constantin. »Keiner rührt sich von der Stelle oder wir können gerade nochmal von vorn anfangen. Ramon, Marvin – achtet auf Ravenna.«
Ravenna starrte die beiden Ritter an, als diese mit gezogenen Schwertern neben ihr auftauchten. Marvin grinste, als fände er die Anspannung, die plötzlich in dem Hof herrschte, recht unterhaltsam.
»Ich verstehe nicht ganz …«
»Deine Schwester ist eine Verräterin.«
Millie packte Willow am Zügel und blickte zu Ravenna auf. Ihr rundes Gesicht glänzte, und der Ausdruck in ihren Augen wirkte entschlossen.
»Meine … wer? Yvonne?« Ravenna lachte, ohne dass ihr zum Lachen zumute war. »Das glaube ich kaum. Egal, was sie mit Constantins Rittern anstellt – sie ist geradezu vernarrt in alles, was mit Zauberei und Hexenkraft zu tun hat. Sie würde dem Konvent niemals schaden.«
Millie ballte die Faust, so dass Willow scheute. »Da irrst du dich aber. Ihr seid vielleicht elegante, feine Damen aus der Zukunft, aber ich kann meinen Grips ebenfalls gebrauchen.« Mit dem Finger tippte sich Millie gegen die Stirn. »Hier drin tickt der Verstand einer Hexe. Und er sagt mir, dass von deiner Schwester Gefahr ausgeht. Zum Beispiel hat sie Lucian verhext.«
Ravenna spürte, wie ihr ganz heiß wurde. »Na schön, dann ist er eben vernarrt in sie. Was kann ich schon dagegen machen? Schließlich bin ich nur die Maikönigin.« Mit spitzen Fingern hob sie den Rock und schwenkte ihn ironisch hin und her. Die Kleider waren noch immer feucht, und am Saum klebte Schlamm. »Lucian ist nicht der Erste, der den Reizen meiner Schwester verfällt, und er wird auch nicht der Letzte sein.«
Millie ließ das Pferd nicht los. Sie legte Ravenna die Hand aufs Knie. »Das Medaillon, das Yvonne um den Hals trägt, ist mit einem Bannspruch belegt. Die Göttin allein weiß, was sie hineingetan hat, um Lucian zu binden. Wenn sie daran reibt oder es auf irgendeine andere Art berührt, muss er ihr gehorchen.«
»Was?« Ravenna ließ den Rock fallen.
Millie lächelte säuerlich. »Er wusste bisher nichts davon. Jetzt weiß er es. Ein Liebesbann ist einer der ältesten Zaubersprüche, aber immer wieder wirksam. Außerdem hat Yvonne beim Essen davon gesprochen, dass sie Beliar eine Falle stellen will. Sie behauptete, sie könne den Marquis beschwören und ihn dann …«
Mit einem Satz sprang Ravenna vom Pferd. Ramon griff nach ihr, um sie aufzuhalten, doch sie duckte sich unter der Hand des Einäugigen hinweg. »Yvonne hat die Gabe des Rufens!«, rief sie Constantin und den Sieben zu. »Sie ist in der Lage …«
Bevor sie den Satz beenden konnte, geschahen zwei Dinge: Der morsche Dachstuhl des Gasthauses flog mit Getöse auseinander und eine weiße Lichtsäule stieg in die Wolken. Gleichzeitig brachen beide Torflügel auf und sowohl durch das Tor wie auch über die Mauer drangen fremde Krieger in den Hof ein. Sie bewegten sich sehr schnell, weil sie nur leichte Lederrüstungen trugen. Bis auf das schwache, metallische Glitzern ihrer Ausrüstung waren sie in der Dämmerung kaum zu erkennen und sie schossen Pfeile und Armbrüste auf den Zug der Hexen ab. Der Hund kläffte und wich zurück, als Geschosse und dunkle Trümmer auf die Reiter niederhagelten. Ein Mann stürzte aus dem Sattel und die jungen Hexen kreischten. Binnen weniger Sekunden war aus dem geordneten Festzug ein chaotischer Haufen geworden.
Mit gezogenen Schwertern stürzten sich Terrell, Marvin, Ramon und die anderen Ritter auf die Feinde. In den Händen der Sieben glühten Lichter auf. Mit einem Jaulen, das Ravenna an Feuerwerkskörper erinnerte, zischten die magischen Geschosse durch den Hof. Doch sie wollte gar nicht wissen, was in dem Innenhof geschah. Sie stürzte zu der Hintertür des Gasthauses, durch die ihr Ritter und seine Freunde verschwunden waren.
»Lucian!«, brüllte sie in den dunklen Flur hinein. »Yvonne!«
Die Stille in dem Gasthaus klang bedrohlicher als der Kampflärm, den sie durch die geschlossene Tür hörte. Eiligen Schrittes stieg Ravenna die Hintertreppe hinauf. Irgendwo in der Nähe musste eine Räucherkammer sein, denn es roch durchdringend nach Schinken und Wacholder. An manchen Stellen konnte sie den Himmel sehen.
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