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Die Hexen - Roman

Die Hexen - Roman

Titel: Die Hexen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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andere Weise.«
    Ravenna keuchte. »Constantin hat Lucians Vater umgebracht?«
    Ramon nickte. Seine Stimme klang hart, als er weitersprach. »Er ließ Velasco köpfen und den Leichnam an den Füßen aufhängen. So lautete die Strafe für Hexer, die andere Menschen zu Tode quälen. So lautet sie noch immer.«
    Constantin zwang alle Bewohner der Feste, dabei zuzusehen. Mich eingeschlossen. Lucians Worte hallten ihr wieder in den Ohren. Wie alt war er damals gewesen? Acht? Dann dachte sie daran, wie lebendig sich Velasco angefühlt hatte: der harte Puls, sein stählerner Arm, sein Atem auf ihrem Hals.
    »Constantin konnte damals nicht ahnen, was Beliar seinen Dienern versprochen hatte: Unsterblichkeit im Tausch gegen Sklaverei.« Ramon schüttelte sich. »Und nun zurück zu Eurer Frage: Wir befürchten natürlich alle, dass Velasco Lucian tötet. Doch es wäre geradezu … eine Erlösung. Schlimmer dagegen wäre es, wenn er seinen Sohn zu dem macht, was er selbst ist: ein Wiedergänger. Ein untotes Monster.«
    Ravennas Knie zitterten. Ramon hatte sehr leise gesprochen. Sie blickte auf die großflächige Narbe, die das Gesicht des Ritters verunstaltete, und konnte kaum glauben, was ihr als N ächstes über die Lippen kam. »Ich hoffe, Maeve ist wirklich tot.«
    Ramon nickte. »Es gab keine Rettung für sie. Wir haben Lucian oft davor gewarnt, dass es kein gutes Ende nimmt, wenn er nach Rache dürstet. Er hat uns immer wieder versichert, dass es ihm darum gehe, zu verhindern, dass sich ein solches Schicksal je wiederholt. Ich denke, es läuft auf dasselbe hinaus. Er und Velasco werden einander an die Gurgel gehen, sobald sie eine Gelegenheit dazu finden.«
    Als Ramon »wir« sagte, blickte er zur Tür. Norani stand dort, Esmee, Aveline, Nevere und all die anderen Hexen. Offenbar hatten sie dem Gespräch schon eine Weile zugehört.
    »Ihr wusstet Bescheid?«, fragte Ravenna. Sie war wütend: auf die Sieben, auf sich, auf alle, die ihr nur die halbe Wahrheit gesagt hatten. Und am meisten auf Beliar. »Mein kleines Abenteuer auf dem Odilienberg hatte also nicht nur den Hintergrund, Melisendes Siegel zurückzuholen und im Feuerschein im Kreis zu tanzen, richtig? Ihr wusstet von Anfang an, dass der Marquis hinter meiner Seele her war.«
    »Richtig«, sagte Josce trocken. »Zumindest haben wir befürchtet, dass etwas in der Art passiert, nachdem Elinor den Konvent mit einem Racheschwur verließ. Als sie dann den Bann brach und Beliar auf dem Hœnkungsberg beschwor, wussten wir Bescheid.«
    »Wann war das?«
    »Im letzten Winter, kurz vor dem Yulefest«, sagte Norani. »Ich nehme an, jetzt ist dir klar, warum es so gefährlich ist, sich mit Schwarzer Magie zu befassen.«
    Yule. Also Dezember. Ravenna fasste sich an den Armen. Der Einbruch in ihre Dachwohnung war Anfang Februar passiert. Beliar schien keine Zeit zu verlieren, zumindest nicht, nachdem er siebenhundert Jahre lang auf seinen großen Auftritt gewartet hatte. Warum ich?, dachte sie wieder. Warum nicht jemand anders? Es wäre zu schön, wenn das alles hier nur ein schlechter Traum ist.
    »In Ordnung.« Sie presste die Fingerkuppen auf die Schläfen und zwang sich, ihre Gedanken zu ordnen. »Velasco hat Lucian und meine Schwester also in Beliars Auftrag entführt. Sie könnten inzwischen überall sein: irgendwo hier im Dorf, auf dem Hohen Belchen oder in Straßburg. Sie könnten dieses Zimmer noch nicht einmal verlassen haben, sondern nur diese Zeit. Eine halbe Stunde reicht, um uns zum Narren zu halten. Ich glaube aber kaum, dass es so ist. Ich denke, ich weiß, wo wir sie finden.«
    Sie blickte die Hexen an. »Gehen wir zu Constantin«, schlug sie vor. »Was wir zu besprechen haben, geht alle etwas an.«
    Der Hof sah nicht anders aus als vorher. Bei ihrer Ankunft war der Boden schlammig und zertrampelt gewesen. Jetzt war er noch stärker zertrampelt und noch schlammiger und die Sterne spiegelten sich in den Pfützen. Auf dem Wagen mit dem geborstenen Rad stapelten sich leblose Gestalten. Die Toten der letzten Schlacht. Ravenna vermied es, genauer hinzusehen. Der Hofhund sprang sie an und verewigte seine Pfoten auf ihrem Umhang. Constantin und die übrigen Begleiter erwarteten sie schweigend. Viele der Ritter waren verletzt und auch einige der Hexen waren getroffen worden.
    »Ich werde jetzt losreiten. Allein. Und ich möchte nicht, dass mir jemand folgt«, erklärte Ravenna. Sie hob die Hand, damit sich der Sturm der Entrüstung legte, noch ehe er richtig losgebrochen

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