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Die Hexen - Roman

Die Hexen - Roman

Titel: Die Hexen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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sich darauf befindet, soll dir gehören. Dafür entlässt du meine Schwester aus deinem Zirkel. Es ist das Einzige, was ich von dir verlange, und ich bin bereit, dir alles dafür zu opfern.«
    Beliar zog eine Augenbraue in die Höhe. So sah er beinah wieder aus wie ihr Therapeut – abgesehen von der Rüstung und dem Schwert, das er Mavelle unters Kinn presste. »Höre ich recht? Du willst mir ein Opfer bringen? Hier, in diesem Kreis? Nun, wie wäre es mit … dir?«
    Die nächsten Ereignisse folgten so schnell aufeinander, dass Ravenna erst viel später begriff, was geschehen war. Ein Stoß schleuderte die Elfe zur Seite, so dass sie hinfiel und durchs Gras rollte. Beliar machte einen Satz in Ravennas Richtung, eine tänzerische Bewegung, die den geübten Fechter verriet. Mit der Rechten streckte er das Schwert vor und hob gleichzeitig den anderen Arm. Die Spitze zielte auf den Punkt zwischen ihren Augenbrauen. Ihr Kopf wurde mit einem Ruck nach hinten gerissen. Ohne Widerstand glitt die Drachenklinge in das dritte Auge.
    Am Aufschrei der Hexen merkte sie, dass etwas nicht stimmte. Sie spürte keine Schmerzen, nur eine merkwürdige Unbeschwertheit und Klarheit. Ihre Glieder waren leichter als Zunderholz und ihr Verstand arbeitete auf Hochtouren.
    Die Welt rings um sie stand in Flammen. Menhire brannten wie Strohhaufen, der Waldrand glimmte dunkel. Hinter den Steinen fochten Constantin und seine Krieger heftige Schattenkämpfe aus, und um jede der Sieben loderte die Aura der Magie in einem anderen Farbton. Da begriff Ravenna, dass sie die Welt mit Beliars Augen sah.
    Sie blickte zu ihm auf. Er war größer als in jedem Alptraum, ein schöner Mann, zornig und unberechenbar. Ein gepanzerter Skorpionschwanz ragte hinter ihm auf, riesig, gekrümmt und mit einem Glutstachel versehen. Die Plattenrüstung umschloss jeden Muskel und auf den Schultern, an Ellenbogen und Handgelenken ragten weitere Dornen aus der Panzerung. Der Helmbusch umgab sein Haupt wie ein lodernder Kranz aus Feuer.
    Es ist wahr: Ich bin der Meister. Die Stimme dröhnte in Ravennas Kopf. Benommen griff sie sich an die Stirn, doch die verwunschene Klinge war verschwunden. In jenem Augenblick, da das Schwert ihr magisches Auge berührte, hatte es sich in Rauch aufgelöst. Dennoch war es, als dringe jeder von Beliars Wünschen direkt in ihre Nervenfasern ein, in das Zentrum ihres Seins. Er hatte sie hypnotisiert. Er hatte Besitz von ihr ergriffen, in einer Art und Weise, wie es in einer anderen Nacht und an einem anderen Ort niemals möglich gewesen wäre, und nun war sie von ihm besessen.
    Sie lächelte. Von fern hörte sie leise eine Stimme, heiser und sehnsuchtsvoll, doch sie beachtete Lucians Rufe nicht. Von Flammen umlodert, krümmten sich die Hexen am Rand ihres Gesichtsfelds, als stünden die Sieben bereits mit bloßen Füßen auf dem Scheiterhaufen. Ravenna blickte sie nicht an.
    Allerdings hast du lange gebraucht, um meine Macht anzuerkennen, zürnte Beliar. Du hast Elinor daran gehindert, von der Burgmauer zu springen. Das war schlau, aber unnötig, denn nun stehen wir trotzdem hier. Dein Ritter hat Damian erschlagen, aber auch das wird euch nichts nützen, denn an seiner Stelle wirst du mir zu Diensten sein. Das ist eine weitaus bessere Wahl, denn du bist eine geborene Tormagierin. Jetzt gib mir das siebte Siegel!
    Ravenna überreichte ihm den Ring. Ihr schien, als habe sie diesen Entschluss schon lange vor seinem Befehl gefasst. Jedes seiner Worte war nur ein Echo ihrer Gedanken und ihres Wunsches, ihm zu gefallen. Beliar war schon vor langer Zeit in ihren Kopf eingedrungen – vor mehr als siebenhundert Jahren.
    Sie folgte ihm, als er über das knisternde Gras schritt. Vor dem Stein, an dem der Ring fehlte, blieb er stehen. Der Menhir stand genau im Süden, auf der Peilachse der Sommersonnwende. Sie hielt den Atem an, als der Marquis das Siegel einsetzte. Sobald sich der Ring an seinem Platz befand, wich sie einen Schritt zurück. Sie stand nun genau im Zentrum des Steinkreises. Das Licht, das aus den magischen Schriftzeichen strahlte, bildete einen Ring um sie, einen Kreis aus Feuer, der jedes andere Licht überstrahlte.
    Endlich erkannte sie, weshalb sich die Hexen diesen Ort als Tanzplatz erwählt hatten: Morrigans Siegel befand sich auf dem Hohen Belchen. Der Megalithenkreis war nichts anderes als das Zeichen der Hexengöttin, und es war aktiviert worden, als der letzte Ring seinen Platz fand. Es war genau der Ort, an dem sie nach ihrer

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