Die Hexen - Roman
erschrocken, aufschreien konnte, holte Lucian Luft. Er zuckte mit den Schultern. Damians Arme glitten von seinen Achseln, und er griff nach der Klinge des Gegners, die zwischen Hemd und Haut hindurchgeglitten war. Lucians Schwert hingegen hatte Damians Brust durchbohrt.
Ramon war es, der den Getroffenen auffing und zu Boden sinken ließ. Der Lockenschopf ächzte.
»Was machst du noch hier?«, herrschte Lucian sie an, als Ravenna sich näherte und sich angstvoll versichern wollte, dass es ihm gutging. Er sah schrecklich aus. Mit dem Ärmel wischte er sich das Rußzeichen von der Stirn und verschmierte die schwarzen Striche doch nur mit den Blutspritzern und dem Schweiß auf seinem Gesicht. »Siehst du nicht, dass die Sieben deine Hilfe brauchen? Du gehörst in den Kreis, verdammt!« Mit dem Schwert deutete er auf den Ring aus Menhiren.
Ravenna drehte sich um. Beliar war dort, mitten im Kreis der Sieben, die er mit der Schuppenklinge bedrohte. Blaues Feuer zuckte um das Drachenschwert und die Hexen wichen zurück. Ravenna hörte, wie Josce fluchte und wie Norani eine Beschwörung rief, doch der Choral der Schwarzmagier überlagerte die Stimmen der Hexen. Der Bannkreis der Feinde rückte immer enger um die Sieben zusammen.
Niemand hielt Ravenna auf, als sie durch den Ring der Dämonenkrieger schlüpfte. Als sie den Tanzplatz betrat, erkannte sie, dass sich an jedem Menhir auf der Innenseite eine Vertiefung befand. Sie glichen den Mulden, die Ravenna am Tisch im blauen Saal gesehen hatte. Die Siegel passten genau in diese Kerben. Sobald die Ringe eingerastet waren, begann die Schrift auf dem Rand zu glühen. Verzerrt und vergrößert flimmerten die Lichtzeichen über das niedergedrückte Gras. Der einzige Ring, der noch fehlte, war ihr eigener – das Siegel des Sommers.
»Gib Beliar das Siegel! Nun mach schon!«, herrschte sie Millie an. Die Schuppenklinge schwebte vor Mavelles Brust und diesmal würde der Stoß nicht danebengehen. Der Marquis bedrohte die Elfe und ihr ungeborenes Kind. Als er Ravenna sah, grinste er.
»Da bist du endlich«, höhnte er. »Dann kann der Spaß beginnen.«
»O ja, wir werden viel Spaß miteinander haben«, gab Ravenna zurück. Dann fauchte sie die junge Hexe an: »Wird’s bald, Millie?«
Erschrocken starrten die Sieben sie an. »Was ist los mit dir?«, schnaubte Nevere. »Hat der Marquis dir den Verstand aus dem Schädel gepresst, als du auf seiner Burg warst? Hast du nicht gesehen, dass er soeben die Fürsten entsendet hat? Wenn du ihm nun noch dein Siegel gibst, vollendest du sein Werk, denn dann fallen ihm alle Ringe in die Hand. Dann vernichtet er unseren Zirkel!«
Ravenna beachtete die Heilerin nicht. »Tu, was ich sage!«, fuhr sie das pferdegesichtige Mädchen an. »Das ist meine Nacht, richtig? Ich wurde gerufen, um in diesem Kreis die Magierin zu sein. Das hattet ihr doch im Sinn, als ihr mich mit eurer Beschwörung aus meiner Zeit gerissen habt, nicht wahr? Deshalb musste ich alle diese sinnlosen Prüfungen bestehen und eure Aufgaben lösen. Ich werde Euch verraten, was wir in der Zukunft längst wissen: Beliar ist der Herr und Meister. Er ist der größte Hexer von allen, denn bald wird er der Einzige sein, der noch über Magie gebietet. Also mach endlich, Millie! Gib ihm den Ring!«
Entsetzen zeigte sich in den Zügen der Sieben und die jungen Hexen, die zwischen den Menhiren Schutz gesucht hatten, stöhnten auf. Fordernd streckte Ravenna die Hand aus. Mit einem empörten Laut wich Millie vor ihr zurück. »Du gehörst zu ihm! Er hat dich in seinen Bann gezogen, genau wie deine Schwester. Ich wusste doch, dass mit euch etwas nicht stimmt. Euch sind die Dinge einfach zu leicht geglückt! Hexen aus der Zukunft – pah!« Millie spuckte ins Gras.
Ravenna packte das Mädchen am Handgelenk und bog ihr die Finger auseinander. »Der Ring war eine Leihgabe! Schon vergessen? Givanier!«, befahl sie und Millie öffnete die Faust mit einem Schmerzlaut.
Beliar starrte sie an. Er hatte die Finger in Mavelles Silberhaar vergraben. Die grünen Augen der Elfe waren weit aufgerissen, die Drachenklinge hinterließ eine gezahnte Spur an ihrem Hals. Auf der Stirn des Marquis pochte eine Ader. Offenbar war Beliar sich nicht sicher, ob das, was soeben geschah, wirklich zu seinen Gunsten war.
Ravenna löste den Silberring aus Millies Fingern. Dann trat sie auf Beliar zu und hielt den Schatz in die Höhe. »Du gewinnst«, sagte sie mit einem harten Lächeln. »Dieser Berg und alles, was
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