Die Hexen - Roman
langen Reise durch die Zeit hatte ankommen wollen.
Sie hob die Arme. »Hilf mir, Morrigan!«, schrie sie. »Bitte hilf mir – jetzt!«
Aufbrüllend fuhr Beliar zu ihr herum, umgeben von einer Wolke aus Funken und Feuer. Sein Gesicht hatte jede Ähnlichkeit mit menschlichen Zügen verloren. Glühender Geifer troff ihm vom Kinn, und seine Augen glühten. In diesem Augenblick erkannte er, dass es noch einen Rest von Verstand in ihrem Geist gab, der nicht von ihm beherrscht wurde. Dass sie ihn benutzt hatte, um in die Mitte des Kreises zu gelangen. Er hob den gepanzerten Arm und sie wusste, sie würde sterben.
Da schoss der magische Strom mit solcher Wucht in sie ein, dass sie fast von den Füßen gerissen wurde. Sie war in einem Band aus buntem Licht gefangen, ihre Glieder loderten in allen Farben. Ihr Körper dehnte sich in die Länge. Sie war das Feuer, das in einem Funkenschweif zur Erde strömte, sie war die weiße Flamme der Magie.
Sie schleuderte einen Strahl aus Sternenfeuer auf Beliar, den sie als einen dunklen Schemen vor sich wahrnahm. Ein Funkeln lief an seiner Gestalt auf und ab. Der Stachel krümmte sich über ihm.
»Sei gebannt!«, schrie Ravenna. »Zurück an den Pol der Nacht, denn dorthin werde ich dich …«
Weiter kam sie nicht. Der Skorpionschwanz peitschte nach vorn und riss sie von den Füßen. Ein zweiter Schlag schleuderte sie gegen einen Menhir, der nur scheinbar aus Feuer bestand – Feuer mit einem Kern aus Granit. Beliar packte sie mit beiden Händen, riss sie vom Boden hoch, bis ihre Füße in der Luft baumelten, und schmetterte sie mit dem Rücken gegen den Stein.
Alle, die dieses Schauspiel verfolgten, schrien auf.
Ravenna ächzte, sie hatte das Gefühl, jeder Knochen in ihrem Körper wäre in tausend Stücke zersplittert. Beliars Fäuste schnürten ihr die Luft ab. Sein Gesicht waberte dicht vor ihr, ein Spuk aus Hass und schwarzer Lava, doch zur selben Zeit spürte sie, wie der Kraftstrom unablässig durch sie hindurchfloss. Morrigan war hier, mit ihr, um sie und in ihr. Jede ihrer Bewegungen zog einen Schleier aus Licht nach sich, ein feiner Nebel magischer Kraft, der wie Zuckerwatte an ihr haftete. Die Feuerschrift der Siegel wirbelte um sie, Gluträder rasten durch die Nacht.
»Der Bann!«, würgte sie hervor. Die Worte drangen gepresst aus ihrem Mund und sie hatte kaum noch Atem für mehr. »Der Bann, mit dem ich dich binde: Wir finden es, wenn wir nicht danach suchen. Wir behalten es, wenn wir uns nicht daran klammern und wir haben alles Recht der Welt, es zu besitzen.«
Die letzten Worte verklangen als heiseres, pfeifendes Geräusch auf ihren Lippen. Das Blut rauschte ihr in den Ohren und sie spürte, wie ihr die Sinne schwanden. Mit letzter Kraft hob sie die Hand und schrieb mit Licht eine umgedrehte Vier auf Beliars Stirn.
Der Teufel riss den Kopf zurück und öffnete den Mund, doch ehe er seine Wut in den Himmel brüllen konnte, brach ein Lichtstrahl aus seinem Rachen hervor. Plötzlich spürte Ravenna, wie sich seine Krallen an ihrem Hals lösten, und sie stürzte ins Gras. Auf Händen und Knien rang sie nach Luft. Blut tropfte ihr auf den Handrücken und sie zwang sich, den Kopf zu heben, damit sie ihren Gegner nicht aus den Augen verlor.
Beliar torkelte durch den Kreis. Aschesegel lösten sich von seiner Rüstung und wehten davon. Die Hexen wichen erschrocken vor ihm zurück, denn er war in den Mahlstrom der Magie geraten, eine Motte, die inmitten flimmernder Kraft verging. Lichtstrahlen kreuzten sich um ihn, und weil sie die Helligkeit in den Augen schmerzte, verpasste Ravenna den Moment, an dem er verschwand. Als sie nicht mehr blinzeln musste, weil das Licht weniger grell war, war er fort.
Ihre Arme gaben nach und sie sackte ins Gras. Die alten Menhire, die abschüssige Wiese und der Kreis der Sieben drehten sich um sie, ehe sie in wirbelnder Schwärze versank.
Als sie wieder zu sich kam, lag sie in einem Bienenkorb. Summen, Schwirren und Brummen erfüllten ihre Sinne und es dauerte eine ganze Weile, ehe sie begriff, dass die Geräusche und das Schwindelgefühl in ihrem Kopf waren. Ihre Glieder waren schwer wie Blei, die Wunden brannten.
Sie schlug die Augen auf. Die Nacht war überirdisch schön. Sterne funkelten wie eisige Stecknadelköpfe in einem Kissen aus Samt. Dann fiel ihr ein, dass sie Atem holen musste, und sie schnappte hörbar nach Luft.
Ihr erster Atemzug löste die Spannung, in der die Hexen rings um sie knieten. Die Sieben schrien
Weitere Kostenlose Bücher