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Die Hexen - Roman

Die Hexen - Roman

Titel: Die Hexen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Apfelblüten ab, ganz genau so wie auf dem Gürtel von Beltaine.
    »Dieses Schwert gehört Darlach«, erklärte Esmee. »Ich bat ihn, es uns heute zu überlassen, damit wir üben können. Stell dir vor, es sei das Schwert des Siegers.« Geduldig zeigte sie Ravenna, wie sie die Waffe halten musste und wie ein Wort und eine Geste den magischen Strom durch die Klinge fließen ließ.
    »Die linke Hand, immer die Linke«, ermahnte Esmee sie, als Ravenna die Klinge mehrmals aufnahm. »In der Handfläche befindet sich eine Stelle, von der aus die Kraft übertragen wird. Wenn du darauf achtest, kannst du sie spüren.«
    Ravenna schloss die Augen. Vorsichtig schwenkte sie das Schwert hin und her. »Ich spüre gar nichts«, beschwerte sie sich, nachdem sie eine Weile mit der Handfläche am Griff herumgedrückt hatte. Esmee stieß ein ungeduldiges Zischen aus. »Wie auch, wenn du ständig redest? Achte auf den Pulsschlag in deinen Fingerspitzen. Lass dir Zeit und versuch es nochmal. Morgen, wenn du den Gürtel trägst, wird es leichter gehen.«
    Doch noch ging es gar nicht. Der Griff in Ravennas Hand wurde warm, bis er sich anfühlte wie ein Teil ihres Körpers. Seufzend legte sie das Schwert auf die Werkbank zurück. »Ich kann nicht«, beharrte sie. »Ich bin einfach vollkommen unbegabt für Magie. In den Fingern meiner Schwester hätte sich das Ding vermutlich in einen sprechenden Vogel verwandelt.«
    »Du bist nicht unbegabt, du hast nur zu wenig Selbstvertrauen«, stellte Esmee trocken fest. »Nun gut, dann muss es eben ohne einen Probelauf gehen. Vergiss nicht, was ich dir gezeigt habe, und denk an die Worte, die du sagen musst, wenn du am Maistein stehst. Du solltest das Schwert voller Ernst und Aufrichtigkeit weihen, denn diese Waffe wird dein Gefährte für den Rest seiner Tage tragen und ihr im Kampf sein Leben anvertrauen. Es ist ein Gegenstand, der ihm lieb und teuer ist, und genauso musst du ihn auch behandeln.«
    Ravenna nickte und rieb sich die linke Hand, die von der ungewohnten Anstrengung taub geworden war. Sie bekam kaum mit, dass die anderen Mädchen zwischenzeitlich in den Saal strömten und sich zu zweit oder zu dritt an einer Werkbank einfanden. Schwatzend und lachend gingen sie an die Arbeit. Unter Esmees kundiger Anleitung fädelten sie Halsketten und Armreifen auf, schnitten Gemmen und fertigten Fußglöckchen, Spangen, Haarnadeln, Stirnreifen und Kämme. Mit einem Becher Wasser in der Hand, aus dem sie gelegentlich einen Schluck nahm, schlenderte Ravenna an den Werkbänken entlang und staunte über die Geschicklichkeit der Jungmagierinnen. Wie gerne hätte sie auch solche Fertigkeiten besessen! Im Zentrum von Straßburg würde sie dann eine kleine Werkstatt eröffnen, in der es nur wertvolle Einzelstücke zu kaufen gab. Das wäre eine willkommene Abwechslung zu der schweren Arbeit in der Dombauhütte und auf den Gerüsten um den Münsterturm, dachte sie. Wenn sie in ihre Welt zurückkehrte, würde sie sich ohnehin eine neue Stelle suchen müssen. Warum nicht als Goldschmiedin?
    »Wie hübsch Ihr heute seid!«, rief ihr eines der jüngeren Mädchen zu. »Das grüne Kleid steht Euch gut.«
    Sie nickte dem Mädchen freundlich zu. Ich bin dieselbe Frau wie gestern, außer dass ich in der Zwischenzeit einen Regenguss, einen halsbrecherischen Ritt und ein Bad im Augenbrunnen mitgemacht habe, dachte sie insgeheim. Tat der magische Gürtel bereits seine Wirkung, ohne dass sie ihn am Körper trug?
    »Psst … Ravenna. Ravenna!«
    An der letzten Werkbank stand Florence. Mit einer Pinzette setzte das Mädchen Halbedelsteine in die Fassungen auf einem Pokal. Der Becher wurde bestimmt ein Trinkgefäß für einen König, so prächtig sah er aus. Als Ravenna den Blick hob und das Mädchen ansah, stellte sie schockiert fest, dass Florence ihre langen, braunen Zöpfe abgeschnitten hatte. Sie hatte eine stumpfe Schere oder ein Messer benutzt, denn die Kanten waren ungleichmäßig geschnitten und wirkten fransig. Florences Gesicht war gerötet und ihre Augen wirkten, als hätte sie lange geweint.
    »Warum hast du das gemacht?« Mit der Handkante strich sich Ravenna am Unterkiefer entlang. Dort endete Florences einstige Haarpracht nun. »Das war doch nicht nötig. Schließlich hast du keine Schwarze Magie gewirkt und die Sieben wollten dich ganz sicher nicht bestrafen.«
    Die Jüngere senkte den Kopf. »Die Bestrafung habe ich mir selbst zugefügt. Ich alleine weiß, wie sehr ich sie verdiene.«
    Mitfühlend schüttelte

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