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Die Hexen - Roman

Die Hexen - Roman

Titel: Die Hexen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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zur Seite rollte, entdeckte sie den Lurch. Schwarz glänzend und mit einer auffälligen Zeichnung versehen, kauerte er auf dem Rost. Er sah aus wie ein winziger Drache.
    »Na, komm schon, mein Kleiner, da kannst du nicht auf Dauer hocken bleiben«, murmelte Ravenna. Mit einer Hand stützte sie sich auf die zusammengerollte Unterlage, mit der anderen packte sie den Salamander am Schwanz. Er stieß ein helles Fauchen aus. Mit einem Aufschrei ließ Ravenna das Tier fallen, als dessen ledriger Körper plötzlich glühend heiß wurde.
    Rauch quoll aus der Matratze. Einen Lidschlag später fraßen sich Brandflecken in den Leinenüberzug. Feuer schlug knisternd aus den Löchern und binnen zweier Atemzüge stand das ganze Stroh in Flammen. Qualm wallte bis unter die Zimmerdecke.
    Überstürzt zerrte Ravenna das T-Shirt über Mund und Nase, hastete zum Fenster und rüttelte daran – vergeblich, denn der Rahmen war verzogen und das Fenster ließ sich nicht öffnen. Erst dann fiel ihr ein, wie dumm ihre Vorgehensweise war: Der Luftzug würde das Feuer nur noch stärker anfachen. Als sie sich umdrehte, stand sie vor einer Flammenwand. Der Salamander saß auf dem Knauf des Bettpfostens und starrte sie aus blanken, schwarzen Augen an. Die flimmernde Hitze schien ihm nicht das Geringste auszumachen.
    Voller Verzweiflung packte Ravenna das Glöckchen und schüttelte es. Das Klingen übertönte kaum das Knistern und Knacken des Feuers, doch die Wirtschafterin hatte versprochen, sie höre die Glocke auf jeden Fall. Dann packte sie die Kanne mit dem Waschwasser und leerte den Inhalt über der Matratze aus. Die Menge reichte nicht aus, um das Feuer zu löschen, aber es entstand eine Lücke, durch die sie zur Tür stürzte.
    »Hilfe!«, brüllte sie in den Gang. »Hilfe – es brennt!«
    Tatsächlich traf Arletta als Erste an der Unglücksstelle ein. Beherzt leerte die Wirtschafterin einen Waschzuber über dem lodernden Bettgestell aus. Auch der Nachtkasten und die Strohmatte hatten Feuer gefangen. Mit einigen Mädchen bildete Arletta rasch eine Kette, die vom Brunnen neben der Küche bis in den ersten Stock reichte. Auch Ravenna reihte sich ein. Die Eimer flogen von Hand zu Hand, doch das Feuer brannte hartnäckig weiter.
    Dann erschien Viviale auf der Treppe.
    »Was ist hier los?«, rief die rundliche Magierin. Sobald sie die Gefahr erkannte, riss sie die Hand hoch, so dass ihr Kleiderärmel in der Luft flatterte. »Blinnanier!«, befahl sie. Die grellen Flammen erstarben. Hie und da zeigte sich noch ein blaues Zünglein, doch mit ausgestreckter Hand erstickte die Zauberin die Flammen. Hustend und mit rußgeschwärzten Wangen lehnten Ravenna und ihre Helferinnen am Treppengeländer.
    »Puh, das war knapp!«, stöhnte die Wirtschafterin. »Wenn sich das Feuer ausgebreitet hätte …« Vielsagend musterte sie die hölzernen Treppen und den Dachstuhl. »Wie konntest du nur so unachtsam sein!«, schimpfte sie mit Ravenna.
    Regungslos starrte die Getadelte auf das Bettgestell. Es war zu einem Häufchen Asche verbrannt, Wand und Fußboden waren schwarz. Der Salamander hatte auf ihre Berührung reagiert – ganz wie es seine Besitzerin beabsichtigt hatte. Wenn sie sich nun am Abend zuvor unbekümmert ins Bett gelegt hätte statt auf die Strohmatte vor dem Schrank … Ravenna schauderte. So also hatte Lynette dafür sorgen wollen, dass sie den unbedachten Schwur einhielt, den sie an ihrem ersten Morgen im Speisesaal abgelegt hatte. Ich werde an Mittsommer nicht mehr hier sein …
    Mit einem Ruck wandte sie sich von dem verkohlten Bett ab. »Das war Lynettes Abschiedsgeschenk«, sagte sie zu der Magierin von Mabon.
    Viviale musterte sie schweigend. Wie immer trug sie die Spitzenhaube, ihre Wangen waren von der Aufregung gerötet. Graue Haarsträhnen zogen sich von den Schläfen bis unter den Schleier.
    »Gestern Abend war sie noch einmal hier, um mir von Elinor zu erzählen – von der verstoßenen Magierin.«
    Viviale zog die Augenbrauen hoch. »Und du hast ihr geglaubt?«
    »Na ja … anfangs schon.« Ravenna zuckte die Achseln. »Vieles hier ist neu und fremd für mich. Warum sollte ihre Geschichte nicht wahr sein?«
    »Sie ist wahr«, bestätigte Viviale. »Elinor musste den Konvent der Sieben verlassen. Hat Lynette dir auch erzählt, warum?«
    Stumm schüttelte Ravenna den Kopf. Unterdessen machten sich Arletta und die Küchenmägde daran, die restlichen Einrichtungsgegenstände aus dem Raum zu tragen. »Heute Nacht werdet Ihr woanders

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