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Die Hexen von Eastwick

Titel: Die Hexen von Eastwick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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gewesen
wären. Das Schmerzlichste an dem Nachbild, das von ihr blieb, war,
zumindest in Alexandras Augen, daß sie ihnen vertraut hatte, sich
ihnen anvertraut hatte, wie eine Frau sich sonst nur einem Mann
anvertraut, beim erstenmal, entschlossen zu wissen, auf die Gefahr,
unterzugehen. Jenny hatte in ihrer Mitte gekniet wie eine gelehrige
Sklavin, und ihr weißer gerundeter Körper hatte den Glanz seiner
Vol kommenheit ergossen über ihre dunklergewordenen
    unvol kommenen Gestalten, die naß auf den schwarzen Kissen lagen
unter einem Dach, das sich nicht mehr öffnete, seit Van Horne in
einer eisigen Nacht auf den Knopf gedrückt und ein Blitz seine
behaarte Hand mit einem Handschuh aus blauem Feuer bekleidet
hatte.
Als Hexen standen sie der Al gemeinheit nicht klar vor Augen. Man
lächelte, als Mitbürger, um Sukie zu grüßen, wenn sie mit fröhlichem
kecken Gesicht die schlängeligen Gehsteige entlangeilte; man erwies
der imponierenden Alexandra seine Reverenz, wenn sie in staubigen
Reitstiefeln und der alten grünen Brokatjacke mit der Inhaberin des
Bellenden Fuchses beisammenstand und ein Schwätzchen hielt –
Mavis Jessup, auch geschieden, hektisch gerötetes Gesicht, umzüngelt
von rotgefärbten Medusalöckchen – man bil igte Jane Smarts
zornigen dunklen Brauen – etwa wenn sie in ihrem alten moosgrünen
Plymouth Valiant die Tür mit dem ausgeleierten Schloß hinter sich
zuknallte – eine gewisse Distinktion zu, eine heftige innere Unruhe,
die in anderen klosterengen Städten die Verse der Emily Dickinson
und den kühnen Roman der Emily Brontë hervorgebracht hatte. Die
Frauen erwiderten Grüße, bezahlten Rechnungen, und im
Eisenwarenladen der Armenier zeichneten sie, wie jedermann sonst,
mit dem Finger in der Luft herum, und versuchten das kleine
Wieheißtesdenn zu beschreiben, das man zum Reparieren eines
zerfal enden Zuhauses brauchte, zum Kampf gegen die Entropie. Aber
wir al e wußten, daß es noch eine andere Bewandtnis mit ihnen hatte,
daß etwas vor sich ging, etwas, das ähnlich monströs und obszön war
wie das, was sich sogar im Schlafzimmer des stellvertretenden High
School Direktors und seiner Frau abspielte, die beide doch so brav
und ohne eine Miene zu verziehen oben auf der Tribüne des
Sportplatzes saßen, wenn unten ein Rekordsprung gelang, der den
Atem stocken ließ.
Wir al e träumen, und wir al e stehen fassungslos am Eingang der
    Höhlen unserer Tode: da müssen wir hinein. In die untere Welt. Als
es noch keine Kanalisation gab, erhob sich im Winter in den alten
außerhalb des Hauses gelegenen Abtritten die immer höher
gewachsene Familienscheiße in spitzen gefrorenen Stalagmiten; so
etwas macht es uns leichter zu glauben, daß das Leben mehr ist als nur
die mit dem Airbrush gespritzten bunten Anzeigen vorn in den
Zeitschriften oder die platonischen Formen von Parfumflaschen und
Nylonnachthemden und Rolls-Royce-Stoßstangen. Viel eicht
begegnet uns in den Passagen unserer Träume mehr, als wir wissen:
ein weißes vom Lampenlicht erhelltes Gesicht nimmt vol Erstaunen
ein anderes wahr. Das Wissen, daß es Hexerei gab, war natürlich da
im Bewußtsein von Eastwick; etwas Unförmiges, etwas Wolkig-
Dichtes, entstanden aus tausend durchscheinenden Lasuren, eine Art
Himmelskörper. Man sprach kaum je davon, und obwohl es ja etwas
Schlimmes war, hatte die Stadt doch den Trost, daß es zur
Vol ständigkeit beitrug, das Hexenwesen rundete das Bild ab, gehörte
dazu wie die Gasleitung unter der Oak Street und die
Fernsehantennen, die Kojak und Pepsi-Werbespots aus dem Himmel
fingen. Es hatte die undeutlichen Umrisse von etwas, das man durch
die Glastür einer Dusche sieht, es war zähflüssig, verflog nur schwer:
noch Jahre nach den Ereignissen, die hier tastend, fast widerstrebend
erzählt werden, befleckte das Gerücht von Hexerei diesen Teil Rhode
Islands, so daß ein heikler Hauch von Verlegenheit und Unsicherheit
aufkam bei der unschuldigsten Erwähnung des Namens Eastwick.

    III
    Schuld

    «Man erinnere sich doch der berühmten Hexen-Prozesse:
damals zweifelten die scharfsichtigsten und
menschenfreundlichsten Richter nicht daran,
daß hier eine Schuld vorliege;
die ‹Hexen› selbst zweifelten nicht daran – und dennoch fehlte die Schuld.»
Friedrich Nietzsche, 1887

    «Das hast du geschafft?» fragte Alexandra Sukie am Telefon. Es war
April. Der Frühling machte Alexandra benebelt und benommen, so
daß sie Mühe hatte,

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