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Die Hexen von Eastwick

Titel: Die Hexen von Eastwick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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dichtmachte. Die Frauen lachten und alberten, waren unfähig,
das Spiel ernstzunehmen. Chris Gabriel beteiligte sich matt und
gleichgültig, wie ein ungläubiger Engel, der sich fehl am Platz fühlt
bei diesem törichten Tun der Erwachsenen. Und doch kam er fast
immer mit, gleichaltrige Freunde hatte er nicht; in den kleinen
Nestern Amerikas gibt es keine gleichaltrigen Leute, sie sind auf dem
    Col ege oder beim Militär oder starten ihre Karrieren, umgeben von
den Verlockungen und Bedrängnissen einer Großstadt. Jennifer
arbeitete viele Nachmittage lang mit Van Horne im Labor, wog
Gramm und Deziliter farbiger Pulver und Flüssigkeiten ab, legte
große, mit verschiedensten chemischen Verbindungen beschichtete
Kupferplatten in Reih und Glied unter Batterien von UV-Lampen
und behielt die mit winzigen Drähten angeschlossenen Meßgeräte im
Auge, die die Stromstärke anzeigen sol ten. Ein kräftiger Ausschlag
der Nadel, so begriff Alexandra es, und al e Reichtümer des Orients
würden sich über Van Horne ergießen; vorerst aber breitete sich ein
beißender, trostloser Gestank aus, wie aus al en Verliesen des Alls,
und wüste Unordnung herrschte: verschmutzte Aluminiumbecken,
verschüttete und verstreute Chemikalien, Heber aus Plexiglas, trüb
und verformt, wie von zu starkem Erhitzen schwefliger Mischungen,
Bechergläser und Destil ierkolben mit verkrusteten schwarzen
Rückständen am Boden und an den Seiten. Jenny Gabriel, in
fleckigem weißen Kittel und mit einer großen dunklen, an den
Schläfen anliegenden Schutzbril e, wie auch Van Horne sie trug in
dem gleißenden blauen Dauerlicht, bewegte sich mit einer
eigentümlichen Autorität in diesem hoffnungsvol en Chaos, mit
sicherer Hand und ruhiger Bestimmtheit. Das Mädchen – sie war
kein Mädchen mehr, zehn Jahre jünger nur als Alexandra – schien
gefeit, nichts konnte ihr etwas anhaben, hier nicht und bei den
Orgien nicht; sie war unberührbar, unberührt, in gewissem Sinn, und
doch war sie bei al em dabei, sah, ließ geschehen, war amüsiert,
äußerte sich nicht dazu, als sei ihr nichts von al dem ganz neu, obwohl
ihr bisheriges Leben doch offenbar in ungewöhnlicher Unschuld
verlaufen war und die harschen Zeiten in Chicago nur dazu gedient
hatten, sie behütet in ihrer Zitadelle zu halten. Sukie hatte den
anderen geschildert, wie Jennifer ihr bei Nemo so gut wie gestanden
hatte, daß sie noch Jungfrau war. Und doch entblößte sie beim
    Baden, beim Tanzen ihren Körper vor ihnen mit einer schamlosen
Natürlichkeit und ließ sich ihre Liebkosungen nicht ohne
Empfindung gefal en und nicht, ohne sie zu erwidern. Die Berührung
ihrer Hände war nicht energisch und kraftvol wie die Janes mit den
schwieligen Fingerkuppen, nicht rasch und ehe man sich’s versah, wie
die Sukies; sie hatte eine ganz eigene Bestimmtheit, ein sanftes
Verweilen wie bei einem Abschied, etwas Verzeihendes, Gleitendes,
Fragendes, etwas ganz und gar nicht Zaghaftes, das bis ins Mark
drang. Alexandra zerfloß, wenn Jennifer sie eincremte, sie salbte,
während sie ausgestreckt auf den schwarzen Kissen lag oder auf
mehreren dicken übereinandergebreiteten Handtüchern auf dem
Schieferboden, und die Feuchtheit vom Baden mit den Essenzen von
Aloe und Kokosnuß und Mandel sich verband, mit Natriummilch
und den Extrakten aus Baldrian und Eisenhut und Cannabis Indica.
In den Spiegeln, die Van Horne außen an den Türen der
Duschkabinen hatte anbringen lassen und die immer leicht
beschlagen waren, schimmerten die Hügel und Senken aus Fleisch,
und die jüngste der Frauen, blaß und vol kommen wie eine
Porzel anfigur, kniete in den winkligen tiefen Fernen, wie Spiegel sie
erschaffen. Die Frauen erfanden ein Spiel, das sie «Dien mir»
nannten, eine Art Scharade, aber ganz anders als die Scharaden, die
Van Horne im Wohnzimmer veranstaltete, wenn sie betrunken
waren, und die jedesmal schnell in sich zusammenfielen unter den
explosionsartigen Schüben ihrer telepathischen Fähigkeiten und dem
tolpatschigen Ungestüm seiner Schauspielleidenschaft, die Wort-für-
Wort-Darstel ungen nicht zuließ, ihn trieb, in einer einzigen
grimmigen Gesichtsverrenkung ganze Buchtitel auszudrücken, wie Aufstieg und Fal des römischen Reichs oder Die Leiden des jungen
Werther oder Der Ursprung der Arten.
«Dien mir!» schrien die durstige Haut und die Sinne, und geduldig
cremte Jennifer die Hexen ein, rieb die verwandelnden Öle in die
    Runzeln, über die

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