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Die Hexen von Eastwick

Titel: Die Hexen von Eastwick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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einer lachenden Gans
geschmückten Blechbüchse genommen hatte. Die Platte war aus
derbem gelbbraunem Steingut, leicht gehöhlt und glasiert und
erinnerte an eine große Krabbenschale. Krebs. Alexandra fürchtete
sich davor und sah sein Sinnbild überal in der Natur – in den
Blaubeerbüscheln an vergessenen Stellen zwischen Sumpf und
Steinen, in den Trauben, die an der einknickenden, morschen Laube
vor ihren Küchenfenstern reiften, in den von Ameisen
zusammengetragenen konischen, körnigen Hügeln in den Schrunden
ihres asphaltierten Zufahrtswegs, in allen blinden, unaufhaltsamen
Vermehrungen. «Wie üblich?» fragte Sukie, eine Spur besorgt, denn
Alexandra hatte sich, als sei sie viel älter, als sie wirklich war, ohne den
Schal abzunehmen, in die einzige einladende Sitzgelegenheit in der
Küche fal en lassen, einen alten blauen Sessel, der zu häßlich war, um
woanders hingestellt zu werden; er platzte aus den Nähten, die
Fül ung quol heraus, und die Armlehnen vorn glänzten grauspeckig,
abgewetzt von vielen schubbernden Handgelenken.
«Eigentlich ist ja noch Tonic-Zeit», sagte Alexandra; die Kühle, die
mit dem Gewitter gekommen war, vor ein paar Tagen, hatte sich
noch nicht wieder verzogen. «Wie sieht es mit deinem Wodka-Vorrat
aus?» Irgend jemand hatte ihr mal gesagt, daß Wodka nicht nur
weniger dick mache als Gin, sondern auch die Magenwände weniger
reize. Reizung, psychische wie physische, ist die Ursache von Krebs.
    Krebs bekommen die, die auch nur die Idee an sich herankommen
lassen; nur eine einzige Zel e muß außer Rand und Band geraten,
schon ist es passiert. Die Natur lauert, wartet nur darauf, daß man
seinen Glauben verliert und sie einem ihren tödlichen Stich versetzen
kann.
Sukie lächelte, breiter. «Ich wußte ja, daß du kommst.» Sie hielt eine
brandneue Gordon’s-Flasche hoch, mit dem abgetrennten Eberkopf,
der aus einem runden orangefarbenen Auge starrt und seine rote
Zunge eingeklemmt hält zwischen Zähnen und einem gekrümmten
Hauer.
Alexandra lächelte beim Anblick des freundlichen Monsters. «Viel
Tonic, bitte. Die Kalorien!»
Die Tonic-Flasche zischte in Sukies Hand, zänkisch. Viel eicht
waren Krebszellen eher wie Kohlensäureblasen und blubberten im
Blutkreislauf, dachte Alexandra. Sie mußte aufhören, darüber
nachzudenken. «Wo ist Jane?» fragte sie.
«Sie sagte, sie würde sich ein wenig verspäten. Sie übt für das
Konzert in der Unitarierkirche.»
«Mit diesem gräßlichen Neff», sagte Alexandra.
«Mit diesem gräßlichen Neff», gab Sukie wie ein Echo zurück und
leckte Chininwasser von ihren Fingern, indes sie in ihrem leeren
Kühlschrank nach einer Zitrone suchte. Raymond Neff unterrichtete
Musik an der High-School, ein schwammiger, effeminierter Mann,
der nichtsdestoweniger fünf Kinder gezeugt hatte mit seiner
unappetitlichen, bläßlichen, nickelbebril ten deutschen Frau. Wie die
meisten guten Lehrer war er ein Tyrann, salbungsvol und beharrlich.
Auf seine dumpfklebrige Art wol te er mit jeder schlafen. Derzeit
schlief Jane mit ihm. Alexandra war in der Vergangenheit einige Male
schwach geworden, aber die Episode hatte sie so wenig berührt, daß
Sukie deren Nachschwingungen anscheinend gar nicht spürte. Sukie
    selber schien gefeit zu sein gegen Neff, aber andererseits war sie noch
nicht so lange auf dem Markt. Als geschiedene Frau in einer kleinen
Stadt leben, das ist ein bißchen wie Monopolyspielen; über kurz oder
lang landet man auf jeder Immobilie. Die beiden Freundinnen
wol ten Jane retten, die sich in einer Art empörter Hast immer unter
Wert verkaufte. Die fürchterliche Ehefrau war es, mit dem strohigen,
stumpfen Haar, das kurz geschnitten war wie mit dem Rasenmäher,
und den sorgfältig ausgesprochenen Wortentstel ungen und der
glotzäugigen, eifrigen Art, anderen zuzuhören – die Ehefrau war es,
die ihnen nicht paßte. Wenn man mit einem verheirateten Mann
schläft, schläft man in gewisser Hinsicht auch mit seiner Frau, sie
sol te also nicht von äußerster Peinlichkeit sein.
«Jane hat so schöne Möglichkeiten», sagte Sukie, ein bißchen
automatisch, während sie mit wütenden Äffchenbewegungen im
Eiskasten des Kühlschranks kratzte und noch ein paar Würfel zu lösen
versuchte. Eine Hexe kann mit einem Blick Wasser zu Eis machen,
aber es wieder aufzutauen ist manchmal ein Problem. Zwei von den
vier Hunden, die sie und Monty sich im Überschwang der Gefühle
zugelegt hatten,

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