Die Hexen von Eastwick
in denen
die Schwermut gemaserten Holzes vibrierte, die schattige Fül e von
Bäumen, fluteten in warmen Sommernächten, zu mondhel er, später
Stunde, durch die fliegendrahtvergitterten Fenster des niedrigen
kleinen Ranchhauses, das sich zwischen die vielen anderen kuschelte,
die genauso gebaut waren an den gewundenen Straßen der Fünfziger-
Jahre-Siedlung namens Cove Homes. Die Nachbarn auf ihren
Tausend-Quadratmeter-Parzel en, Mann und Frau, Kind und Hund,
wachten auf, wurden unruhig und berieten, ob sie die Polizei holen
sol ten oder nicht. Sie taten es so gut wie nie, waren beschämt und,
möglich war’s, eingeschüchtert von dem schutzlos Nackten, dem
Glanz und dem Schmerz in Janes Spiel. Es war wohl einfacher, wieder
in Schlaf zu fallen, eingelullt von den Doppelgriff-Folgen – erst in
Terzen, dann in Sexten – aus «Poppers Etüden», oder, wieder und
wieder, den vier Takten gebundener Sechzehntel im zweiten Andante
von Beethovens Quartett Nr. 15 a-Moll, wo das Cello fast
al ein zu Wort kommt. Jane war keine Gärtnerin, das wuchernde
Forsythien-, Rhododendron-, Hortensien- Thuja-Berberitzen-
Buchsbaumgestrüpp dicht am Haus half, den Schwall aus den
Fenstern zu dämpfen. Dies war eine Zeit der angemaßten Rechte und
des al gemeinen Musikgebrül s; jeder Supermarkt dudelte seine
Muzak-Version von ‹Satisfaction› und ‹I Got You, Babe›, und wo
immer zwei oder drei Teenager zusammengluckten, machte der Geist
von Woodstock sich breit. Nicht die Lautstärke, sondern die
Klangfarbe von Janes leidenschaftlichem Spiel war es – die Art, wie sie
tastend immer wieder dieselben Töne ansetzte, jedesmal in der
gleichen dunklen Klangfül e –, die zum widerwil igen Hinhören
zwang. Alexandra assozi erte die dunklen Töne mit Janes dunklen
Brauen und mit dem inständigen Drängen in ihrer Stimme, das nach
unverzüglicher Antwort verlangte, nach einer Formel, mit der die
Lösung des Lebens gefunden, sein Geheimnis ein für allemal
festgeschrieben werden konnte; ganz anders als Alexandra, die sich
treiben ließ in der Gewißheit, daß das Geheimnis al gegenwärtig ist,
ein aromaloses Element in der Luft, von dem die Vögel und
wehenden Gräser sich nähren.
Sukie hatte nichts von dem, was sie künstlerisches Talent nennen
würde, dafür war sie an al em interessiert, was mit menschlichem
Miteinander zu tun hatte, und durch die finanziel e Einschränkung,
die eine Scheidung mit sich bringt, war sie dazu gekommen, für das
lokale Wochenblatt zu schreiben, den Eastwick-Anzeiger. Heiteren,
geschmeidigen Schritts eilte sie in der Dock Street hin und her, die
Ohren gespitzt, damit kein Klatsch ihr entgehe und sie auf dem
laufenden bleibe über Gedeih und Verderb der Läden, und Freude
durchrieselte sie, wenn sie in der Auslage des Bellenden Fuchses
Alexandras grelle Figürchen sah oder ein Plakat im Fenster des
Eisenwarenladens der Armenier, auf dem ein Kammermusikkonzert
in der Unitarierkirche angekündigt wurde, mit: Jane Smart, Cello: das
funkelte sie an wie ein Stückchen Glas im Strandsand oder ein
blanker Vierteldollar, den man zufällig im Staub des Gehsteigs findet
– ein Codefetzen in der verstümmelten Botschaft des al täglichen
Tages, ein Aufblitzen des Zusammenhangs zwischen der inneren und
der äußeren Welt. Sie liebte ihre beiden Freundinnen, und sie liebten
sie. Heute, Sukie hatte gerade ihren Bericht über die beiden gestern
abend abgehaltenen Sitzungen im Rathaus niedergeschrieben – der
Steuerausschuß hatte getagt (stumpfsinnig: immer dieselben alten
Damen mit unrentablem Grundbesitz, die um Steuerermäßigung
baten) und das Planungskomitee war zusammengetreten
(beschlußunfähig: Herbie Prinz war auf den Bermudas) –, sah sie
sehnsüchtig Alexandras und Janes Besuch entgegen, die auf einen
Drink vorbeikommen wol ten. Sie trafen sich für gewöhnlich jeden
Donnerstag, immer abwechselnd, in einem ihrer drei Häuser. Sukie
wohnte mitten in der Stadt, was praktisch war für ihre Arbeit,
wenngleich das Haus, ein winziges Saltbox von 1760, an einem
schlängeligen, von der Oak Street abzweigenden Gäßchen namens
Hemlock Lane gelegen, ein ziemlicher Abstieg war, verglichen mit
dem weitläufigen Farmhaus – sechs Schlafzimmer, 8000
Quadratmeter Grund, ein Kombi, ein Sportwagen, ein Jeep, vier
Hunde –, in dem sie mit Monty gelebt hatte. Aber durch ihre
Freundinnen wurde es zu einem Zwischenreich, einem Interludium
der Verzauberung; sie
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