Die Hexen von Eastwick
Ein gewisser Stolz auf ihre Kunst überkam Alexandra. «Ihr beide
hättet es ohne mich nicht tun können; ich war so vol er Energie, so
eine gute Organisatorin! Es war ein wunderbares Gefühl, diese
schreckliche Kraft auszuüben!» Auch jetzt war es ein wunderbares
Gefühl, wie ihr Kummer auf diese Wände, Gesichter und
Gegenstände einschlug – die Seekiste, den Crenel-Hocker, die dicken,
rautenförmigen Fensterscheiben – wie mit schweren Kissen, den
Wolken ihrer Erschütterung und Reue.
«Wirklich, Alexandra», sagte Jane, «du scheinst nicht mehr du selbst
zu sein.»
«Das weiß ich. Ich habe mich tagelang elend gefühlt. Ich weiß
nicht, was es ist. Mein linker Eierstock – vor jeder zweiten Periode tut
er sehr weh. Und nachts, mein Kreuz, ein Schmerz, daß ich aufwache
und zusammengerol t auf der Seite liegen muß!»
«Oh, du armes, großes, trauriges, süßes Ding», sagte Sukie, stand
auf und machte einen Schritt, so daß die Spitzen ihrer Brüste in dem
schimmernden Oberteil leicht wippten. «Du brauchst eine
Rückenmassage.»
«Ja, die brauche ich», schmol te Alexandra.
«Komm her. Leg dich aufs Sofa. Jane, rutsch rüber.»
«Ich hab solche Angst.» Ein Schniefen würzte Alexandras Worte
und stieg ihr in die Nüstern. «Warum sol ten es gerade die Eierstöcke
sein, wenn nicht …»
«Du brauchst einen neuen Liebhaber», sagte Jane zu ihr, wobei sie
in ihrer knappen Art das r wegließ. Woher wußte sie das? Alexandra
hatte Joe gesagt, sie wol e ihn nicht mehr sehen, aber diesmal hatte er
wirklich nicht wieder angerufen, und aus den Tagen seines
Schweigens waren Wochen geworden.
«Zieh deine hübsche Bluse hoch», sagte Sukie, obwohl es keine
hübsche Bluse war, sondern eins von Oz’s alten Hemden, mit
Kragenecken, die nicht anliegen wol ten, weil die Plastikstäbchen
fehlten, und einem nicht wegzukriegenden Essensfleck neben dem
zweiten Knopf. Sukie hakte den BH auf und ein Dehnungsschmerz
flutete in Alexandras Brust. Sukies schmale Finger begannen kreisend
zu arbeiten. Das rauhe Kissen, das gegen Alexandras Nase drückte,
roch tröstlich nach feuchtem Hund. Sie schloß die Augen.
«Und vielleicht eine schöne Oberschenkelmassage», sagte Janes
Stimme. Ein Klirren und ein Rascheln beschrieben, wie sie ihr Glas
absetzte und ihre Zigarette ausdrückte. «Unsere lumbale Spannung
baut sich an den Hinterseiten der Oberschenkel auf und muß gelöst
werden.» Ihre Finger mit den schwieligen Kuppen versuchten, die
Spannung abzubauen, kneifend, streichelnd, die Nägel auf- und
abziehend wie für ein Pianissimo.
«Jenny –» begann Alexandra, eingedenk der seidigen Massagen des
Mädchens.
«Wir tun Jenny nicht weh», sagte Sukie mit leise singender Stimme.
«DNS tut Jenny weh», sagte Jane, «die böse DNS.»
Ein paar Minuten später hatten sie Alexandra fast zum Schlafen
gebracht. Sukies scheußlich anzusehender Weimaraner Hank trottete
mit hängender, lilafarbener Zunge ins Zimmer, und sie spielten
folgendes Spiel: Jane legte eine Reihe Weizencracker auf die Rückseite
von Alexandras Schenkeln, und Hank schleckte sie auf. Dann legten
sie ein paar Cracker auf Alexandras Kreuz, dort, wo ihr Hemd
hochgeschoben war. Seine Zunge war rauh, naß, warm und leicht
klebrig wie der Kriechfuß einer großen nackten Schnecke; hin und
zurück schlappte sie über die immer wieder neu angerichtete Mahlzeit
auf Alexandras Haut. Der Hund liebte, wie seine Herrin, stärkehaltige
Häppchen, aber als er schließlich übersättigt war, sah er die Frauen
fragend an und bat sie mit den Augen – topazfarbene Kugeln mit
einer violetten Wolke in der Mitte – innezuhalten.
Obwohl die anderen Kirchen in Eastwick während der Sommer-
Sonnen-Andachten einen entschiedenen Besucherrückgang erlitten,
blieb die Anzahl bei den Unitarier-Gottesdiensten, die nie überfül t
waren, gleich; tatsächlich erhöhte sie sich sogar durch Urlauber aus
den Großstädten, gutsituierte, religiöse Liberale in lässigen roten
Hosen und Leinenjacken, buntgemusterten Baumwol kleidern und
bebänderten Strohhüten. Diese und die regulären Besucher – die
Neffs, die Richard Smiths, Herbie Prinz, Alma Sifton, Homer und
Franny Lovecraft, die junge Mrs. Van Horne und eine relativ Neue in
der Stadt, Rose Hal ybread, ohne ihren agnostischen Ehemann, aber
mit ihrem Protégé Dawn Polanski – waren erstaunt, nachdem erst
einmal farblos «Durch die Nacht vol Angst und Sorgen» gesungen
worden war (wobei
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