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Die Hexen von Eastwick

Titel: Die Hexen von Eastwick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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«Oh, tol .»
«Einige davon sind keine Himbeeren, habe ich bemerkt, sondern
Heckenrosen. Als Ozzie und ich zuerst nach Eastwick kamen, machte
ich jeden Herbst Hagebuttengelee.»
«Du und Ozz, ihr wart einfach zu lieb.»
«Es war jämmerlich, ich war ganz Hausfrau. Du bist eine Heilige»,
sagte sie zu Sukie, «daß du das hier tust. Ich weiß, du bist genervt. Du
kannst jederzeit gehen.»
«So heilig nun auch wieder nicht. Viel eicht habe ich Angst wie du.
Hier ist es übrigens.» Sie klang nicht annähernd so erregt wie vor
einer Viertelstunde, als sie den Golfbal gefunden den hatte.
Alexandra bahnte sich, zerkratzt und behindert von einer (nach ihrem
Empfinden) grundlegenden und unversöhnlichen Grausamkeit des
Universums, ihren Weg zu dem Standort der anderen Frau. Sukie
hatte das Ding nicht berührt. Es lag an einer relativ offenen Stelle,
einem brackigen Fleck, dessen Ränder Meerstrandsmilchkraut
nährten; ein paar fragile weiße Blumen zeigten ihre Reize im Schatten
des Dschungels. Als Alexandra sich bückte, um die zerknitterte
Alufolie, die nicht verrostet, aber durch die Monate im Wetter stumpf
geworden war, anzufassen, merkte sie, daß die feuchte Erde rund um
das Ding von irgendwelchen Würmchen wimmelte, rötliche Partikel,
    aufgereiht wie Feilspäne um einen Magneten, die in ihrer winzigen
Welt, einige Stufen tiefer auf den Terrassen des Lebens als ihre eigene,
herumwuselten. Sie zwang sich, den bösen Zauber zu berühren, diese
höl isch gebackene Kartoffel. Als sie sie aufhob, wog sie nichts und
rasselte: die Nadeln im Innern. Behutsam öffnete sie die hohle
Aluminiumfolie. Die Nadeln darin waren verrostet. Die
Wachssubstanz der kleinen Jenny-Imitation war gänzlich
verschwunden.
«Talg», sagte Sukie nach einer Pause, in der sie darauf gewartet
hatte, daß Alexandra als erste sprach. «Irgendwelche kleinen Biester
hier draußen dachten, es war was Leckeres, und haben al es
aufgegessen oder ihre Babies damit gefüttert. Guck mal: sie haben die
kleinen Härchen dagelassen. Erinnerst du dich an die kleinen
Härchen? Man sol te meinen, sie wären verrottet oder so ähnlich.
Deshalb verstopfen Haare auch immer den Ausguß, sie sind
unzerstörbar. Wie Chlorox-Flaschen. Eines Tages, Schätzchen, wird es
auf der Welt nur noch Haare und Chlorox-Flaschen geben.»
Nichts. Jennys Talg-Surrogat war zu Nichts geworden.
Regentropfen wie Nadelstiche fielen auf ihre Gesichter, nun, da
beide Frauen aufrecht im Himbeergesträuch standen. Solche
trockenen, mikroskopisch kleinen ersten Tropfen kündigen einen
ernstzunehmenden Regen an, einen Regenguß. Der Himmel war
undurchdringlich grau bis auf einen dünnen Streifen Bläue über dem
tiefen Horizont im Westen, der so weit weg war, daß dieser helle
Himmel gänzlich außerhalb von Rhode Island sein mochte. «Die
Natur ist ein hungriges, altes Tier», sagte Alexandra und ließ Folie
und Nadeln ins Gras zurückfal en.
«Und durstig auch», sagte Sukie. «Hattest du mir nicht einen Drink
versprochen?»
Sukie wol te tröstend und kokett sein, weil sie Alexandras kranke
Angst spürte, und sah auch recht famos aus mit ihrem roten Haar und
    den Äffchenlippen, wie sie in ihrem flotten Regenmantel bis zu den
Brüsten in den Himbeeren stand. Doch Alexandra hatte ein desolates
Gefühl von Distanz, als wäre ihre liebe Freundin, reizend aber doch
schon abgestumpft, nur ein weiteres schwindendes Bild, sagen wir, die
Reklame am Heck eines Lastzugs, der rasch von einer Ampel
davonfährt.
    Eine von Brendas zahlreichen Neuerungen war es, Mitglieder der
Gemeinde gelegentlich eine Predigt halten zu lassen; heute predigte
Darryl Van Horne. Das reichlich abgegriffene dicke Buch, das er auf
dem Lesepult öffnete, war nicht die Bibel, sondern ein Webster’s Col egiate Dictionary mit rotem Schutzumschlag. «Der
Tausendfüßler», las er laut mit seiner seltsam hal enden, weil
verstärkten Stimme, «zur Klasse der Chilopoda gehörig, lange, flache,
mehrfach segmentierte, vom Raub lebende Gliederfüßer, deren
Segmente je ein Beinpaar aufweisen, von denen das vorderste zu
giftigen Fängen umgewandelt ist.»
Darryl blickte auf; er trug eine Lesebril e mit halbmondförmigen
Gläsern, wodurch die Haltlosigkeit seines Gesichts verstärkt wurde,
das aussah, als wäre es aus Teilen mit nicht ganz glatten Nähten
zusammengesetzt. «Ihr wußtet das nicht mit den giftigen Fängen,
oder? Ihr habt noch niemals einem Tausendfüßler direkt ins

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