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Die Hexen von Eastwick

Titel: Die Hexen von Eastwick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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winzigste
Stäubchen daruntersetzt, tut das weh wie eine beschissene
Rasierklinge.»
«Es war ein schönes Spiel», verkündete Jane abschließend. Sie wurde
    oft in diese Rol e gedrängt, so schien es ihr, mußte den schlichtenden
Elternteil spielen, die unverheiratete Tante, die frei ist von
Leidenschaften – wo es doch in Wahrheit nur so brodelte in ihr.
Die Sommerzeit war offiziell vorbei, und Dunkelheit brach schnell
herein, als sie hintereinander den schmalen Weg hinaufgingen, zu den
vielen erleuchteten Fenstern des Hauses. Innen angelangt, setzten sich
die drei Frauen einträchtig auf das geschwungene Sofa in Van Hornes
langem, mit Kunst gefül tem und doch eigenartig kahlem
Wohnzimmer und tranken, was er ihnen zusammenbraute. Darryl
Van Horne war ein Meister im Mixen exotischer Getränke,
alchimistischer Drinks aus Tequila und Grenadine und Creme de
Cassis und Triple Sec und Sprudelwasser und Preißelbeersaft und
Apfelschnaps und womöglich noch geheimnisvol eren Zutaten, die
sämtlich in einem hohen, flandrischen Schrank aus dem 17.
Jahrhundert verwahrt wurden, auf dem zwei entgeisterte Engelsköpfe
thronten; das alternde Holz hatte ihre Gesichter gespalten, mitten
durch die blinden Augäpfel. Das Meer hinter den pal adianischen
Fenstern wurde dunkel wie Wein, wie Hartriegelblätter, bevor sie
abfal en. Zwischen den ionischen Säulen des Kamins, gleich unterhalb
des wuchtigen Simses, zog sich ein Keramik-Fries mit Faunen und
Nymphen hin, nackte Figuren, weiß auf blau. Fidel brachte Hors
d’Œuvres herein, Pasten und Saucen aus zerstampftem Seegetier, empanadil as, calamares en su tinta, die unter kleinen Ekelschreien
verspeist wurden, mit Fingern, die sich sepiabraun färbten vom Blut
dieser saftigen Tintenfischbabies. Von Zeit zu Zeit ereiferte sich eine
der Hexen, sie müsse nun etwas wegen der Kinder unternehmen,
entweder nach Hause gehen und ihnen Abendbrot machen oder
wenigstens anrufen und der ältesten Tochter das Kommando
übergeben. An diesem Abend stand ohnedies al es kopf: Es war
Hal oween-Abend, einige Kinder würden auf Parties sein, andere
unterwegs auf Betteltour in den dunklen, winkligen Straßen im
    Zentrum von Eastwick. In wuselnden Grüppchen würden sie an
Hecken und Zäunen entlangstreunen, kleine Piraten und Cinderel as,
die Masken trugen mit erstarrten Grimassen und papiernen
Augenlöchern, aus denen lebhafte, feuchte Augen blitzten; Gespenster
in Kopfkissenbezügen würde es geben, mit Einkaufstüten in der
Hand, in denen die Schokonüsse und Knusperriegel raschelten.
Unentwegt würden Türglocken klingeln. Vor ein paar Tagen war
Alexandra mit Linda, ihrer jüngsten, bei Woolworth im Shopping-
Center gewesen; die Lichter dieses Schundladens behaupteten sich
unverfroren gegen die Dunkelheit draußen, die ältlichen, verfetteten
Verkäufer standen müde vom Tag zwischen ihrem
kinderverführenden Firlefanz, und einen Moment lang hatte
Alexandra den alten Zauber verspürt, durch die weitaufgerissenen
Augen dieses neunjährigen Kindes die symbolische Majestät der
Gespenster im Sonderangebot gesehen, die Echtheit der abgepackten
Kobolde – Maske, Kostüm und Bettelsack aus Plastik zusammen nur
3 Dol ar 98. Amerika lehrt seine Kinder, daß aus jeder Leidenschaft
ein Anlaß zum Kaufen gemacht werden kann. In einem Augenblick
der Empathie wurde Alexandra zu ihrer Tochter, die durch die Gänge
wanderte, wo in Augenhöhe käufliche Wunder lagen, und sie tränkte
ein jedes mit dem ihm eigenen starken Duft von Tinte oder
Radiergummi oder Zuckerzeug. Aber mütterliche Momente dieser Art
widerfuhren ihr immer seltener, je mehr sie Besitz ergriff von ihrem
Ich, eine Halbgöttin, die größer und strenger war als alles, was andere
ihr abverlangten. Sukie, neben ihr auf dem Sofa, bog den Oberkörper
zurück, streckte sich in ihrem knappen Pfirsichdress, so daß die
weißen Rüschenhöschen hervorspitzten, und sagte mit einem
Gähnen: «Ich glaube, ich gehe jetzt wirklich. Die armen Schätzchen.
Das Haus so mitten in der Stadt – da herrscht bestimmt
Belagerungszustand.»
Van Horne saß ihr gegenüber in seinem Cordsamtsessel; er hatte
    gewaltig geschwitzt und einen irischen Pul over aus grober Wol e, die
immer noch ölig nach Schaf roch, über das aufgedruckte Malcolm X-
Gesicht mit dem wilden Mienenspiel und den vorstehenden Zähnen
gezogen. «Gehen Sie nicht, Teuerste», sagte er, «bleiben Sie und
nehmen Sie ein Bad. Ich mache das

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