Die Hexen von Eastwick
Schachtel, einen länglichen Schädel, von einer Ziege oder einem Reh
viel eicht, mit aufklappbarem Silberdeckel. Aus dem Schädel holte er
etwas in krümelige Streifen Geschnittenes und ein Päckchen
altmodischen Zigarettenpapiers und begann, tapsig damit zu
hantieren, wie ein Bär, der sich an einer Honigwabe zu schaffen
macht.
Alexandras Augen gewöhnten sich an das Zwielicht. Sie ging in eine
Kabine, zog ihre schmuddeligen Kleider aus, schlang das purpurne
Handtuch um sich, das zusammengefaltet bereitlag, und tauchte in
die Duschzelle. Tennisschweiß, Schuldgefühle wegen der Kinder, eine
unangebrachte bräutliche Schüchternheit – alles wurde
weggeschwemmt. Sie hob das Gesicht in den Strahl, als wol te sie es
fortwaschen, dieses Gesicht, das einem bei der Geburt gegeben wird,
wie der Fingerabdruck, wie die Sozialversicherungsnummer. Ihr Kopf
wurde köstlich schwer, als ihr Haar sich vol sog. Ihr Herz war leicht
wie eine kleine Laufkatze, die auf einer Aluminiumschiene ihrer
unausweichlichen Verbindung mit dem rauhen, seltsamen Mann
zuglitt. Als sie sich abtrocknete, bemerkte sie das Monogramm, das in
die flauschige Seite des Handtuchs gestickt war; es sah wie ein M aus,
konnte aber auch ein verschlungenes V und H sein. Das Tuch um
sich gewickelt, trat sie in den schummerigen Raum zurück. Der
Schiefer unter ihren Füßen fühlte sich an wie zartrauhe Reptilienhaut.
Die beißende Schärfe des Marihuana kitzelte ihre Nase wie ein
schmeichelnder Pelz. Van Horne und Jane Smart, die Schultern
feucht schimmernd, waren schon im Wasser und teilten sich den
Joint. Alexandra trat an den Rand des Wassers, sah, daß das Wasser
knapp anderthalb Meter tief war, ließ das Handtuch fallen und
rutschte hinein. Heiß. Brühend. In alten Zeiten riß man Hexen,
bevor man sie auf dem Scheiterhaufen verbrannte, mit rotglühenden
Zangen Fleischfetzen aus dem Hexenleib; dies hier war ein
Vorgeschmack darauf, auf die Qualen im Feuer.
«Zu heiß?» fragte Van Horne, und seine Stimme klang noch
dumpfer in dieser abgeschotteten, dampfigen Akustik, noch mehr, als
äffe er einen Mann nach.
«Ich gewöhne mich schon daran», sagte sie grimmig; Jane hatte es
schließlich auch getan. Jane sah aus, als sei sie wütend, daß Alexandra
überhaupt hier war und Wellen machte, dabei hatte Alexandra sich
doch so vorsichtig wie möglich in das peinigende Wasser gleiten
lassen. Alexandra fühlte, wie ihre Brüste nach oben trieben. Sie war
bis zum Hals eingetaucht und hatte keine Hand trocken, um den
Joint entgegenzunehmen; Van Horne steckte ihn ihr zwischen die
Lippen. Sie tat einen tiefen Zug und hielt den Rauch fest. Ihre
untergetauchte Luftröhre brannte. Die Wassertemperatur wurde eins
mit ihrer Haut, und als sie nach unten blickte, sah sie, wie
zusammengeschrumpft sie al e waren, Janes Körper war entstellt
durch keilförmige, wabernde Beine, und Van Hornes Penis schwamm
wie ein blasser Torpedo, unbeschnitten und eigentümlich glatt, wie
einer dieser vanil efarbenen Plastikvibratoren, die plötzlich in den
Schaufenstern großstädtischer Drugstores liegen, nun, da die
Revolution im Gange ist und es keine Grenzen mehr gibt.
Alexandra hob den Arm, griff hinter sich nach dem Handtuch, das
sie hatte fal en lassen, und trocknete sich Hände und Handgelenke ab,
damit sie den kleinen Joint, der zwischen ihnen herumgereicht wurde,
dieses schmetterlingspuppenhaft zerbrechliche Stengelchen, nun auch
entgegennehmen konnte. Sie hatte schon vorher Hasch geraucht; Ben,
der ältere von ihren beiden Söhnen, zog es zu Hause im Garten auf
einem Beet hinter den Tomaten, denen die Pflanzen auf den ersten
Blick ähnelten. Aber es hatte nie zu ihren Donnerstagen gehört:
Alkohol, kalorienreiche Knabbereien und Klatschgeschichten hatten
sie immer genügend beflügelt. Nach mehreren tiefen Zügen in dieser
dampfigen Luft glaubte sie zu fühlen, daß sie sich veränderte, daß sie
gewichtslos wurde im Wasser und leicht unter der Hirnschale. Wie
eine Socke manchmal umgestülpt aus der Wäsche kommt und man
rasch hineinfassen und sie wieder umdrehen muß, so war es mit dem
Universum; es war wie ein Wandteppich, von dem sie immer nur die
Rückseite gesehen hatte. Dieser dunkle Raum mit seinen kaum
sichtbaren Nähten und Fäden war die andere Seite des Teppichs, das
tröstliche Verso des sonnendurchglühten heftigen Gewebes der Natur.
Alexandra fühlte sich frei, bar al er Sorgen. Janes Gesicht
Weitere Kostenlose Bücher