Die Hexen von Eastwick
Alexandra
ging auf in schwermütigen, triumphierenden, zärtlichen Gefühlen,
und niemand hätte sagen können, wo die Zärtlichkeit, die man gab,
begann, und wo jene aufhörte, die man empfing. Mit Schultern,
Armen und Brüsten aus dem Wasser tauchend, drängten die drei
Frauen sich aneinander, zu einer Gruppe, wie die Grazien auf einem
Kupferstich, indes ihr behaarter, dunkler Gastgeber, der ins Trockene
geklettert war, seine schwarzen Schränke durchstöberte. Sukie
erläuterte ihm mit seltsam sachlicher Stimme, die sich für Alexandra
anhörte, als käme sie von weither in dieses Aufnahmestudio, welche
Musik er auf seiner teuren, gegen Wasserdampf geschützten
Stereoanlage spielen sol te. Er war nackt, und seine pendelnden,
kol ernden, blassen Genitalien hatten etwas Rührendes, Gutmütiges –
wie ein Hundeschwanz, der sich über den unschuldigen Knopf des
Anus schmiegt.
In unserer kleinen Stadt Eastwick sol te in diesem Winter der
Klatsch blühen – wie in Washington und Saigon, so gab es auch hier
undichte Stel en: Fidel hatte sich mit einer Frau im Ort angefreundet,
einer Kellnerin bei Nemo, einer gewieften Schwarzen aus Antigua,
Rebecca mit Namen – Klatsch über das schlimme Treiben im alten
Lenox-Haus, aber was Alexandra an diesem ersten Abend und fortan
immer wieder erstaunte, war die liebenswerte menschliche
Unbeholfenheit bei al em, was sich zutrug und das bestimmt war von
der Unbeholfenheit ihres eifrigen und auf schwer benennbare Art
widrigen Gastgebers, der sie nicht nur bewirtete und ihnen Herberge
bot und Musik und passendes dunkles Mobiliar, sondern auch den
Segen spendete, ohne den al er Mut unserer Zeit versiegt und
versickert in Gräben, die andere gegraben haben, jene alten Pfaffen
und Verhinderer und Verfechter heroischer Engstirnigkeit, die die
liebliche Ann Hutchinson, eine Frau, die Frauen half, in die Wildnis
jagten, damit sie skalpiert würde von Rothäuten, die auf ihre Art
ebenso fanatisch und unversöhnlich waren wie die puritanischen
Geistlichen. Wie al e Männer verlangte Van Horne, daß die Frauen
ihn als Gebieter anerkannten, aber sein Steuersystem fußte wenigstens
auf Aktivposten, die sie besaßen – Körper, Vitalität –, und nicht auf
spirituel em Handelsgut, das in irgendeinem nicht vorhandenen
Himmel verwahrt wird.
Van Hornes Güte, seine Freundlichkeit waren es, die die Liebe,
welche die Frauen füreinander empfanden, zu einer Art Liebe
zusammenfaßte, die ihm galt. Seiner Liebe zu ihnen haftete etwas
seltsam Abstraktes an, weshalb die Ehrerbietungen und die Gunst, die
sie ihm bezeigten, etwas Förmliches und bloß Höfliches hatten – ob
sie nun anlegten, was er ihnen zur Kostümierung überließ,
Katzenfellhandschuhe und grünlederne Strumpfbänder, oder ob sie
ihn mit dem cingulum banden, der neun Fuß langen Schnur aus
geflochtener roter Wol e. Oft stand er, wie in dieser ersten Nacht,
erhöht und weit weg von ihnen und bediente seine komplizierte und
(ungeachtet seiner stolzen Behauptungen) feuchtigkeitsempfindliche
Apparatur.
Er drückte auf einen Knopf, das Wel blechdach schloß sich
rumpelnd und sperrte den nächtlichen Himmel aus. Er legte
Schallplatten auf: Janis Joplin, die sich mit ‹Piece of My Heart› und ‹Get it While You Can› und ‹Summertime› und ‹Down on Me› die
Stimme wund schrie, diese Paradestimme fröhlicher, trotziger,
weiblicher Verzweiflung, und dann Tiny Tim, durch Tulpenfelder
trippelnd mit tremulierendem, zwittrigem Zwitschern, an dem Van
Horne sich nicht satthören konnte, so daß er die Nadel immer wieder
in die Anfangsril e setzte, bis die Hexen um Erbarmen flehten und
erneut Joplin verlangten. Sie waren umzingelt von den Klängen, aus
allen vier Ecken des Raumes drangen sie auf sie ein; und sie tanzten,
die vier, bekleidet nur mit ihren Auren und ihrem Haar, machten
schüchterne kleine Bewegungen, gefangen von der Musik, kehrten
einander oft den Rücken, ließen sich ganz durchtränken von der
titanischen Geistergegenwart der Sänger. Als Janis Joplin mit rauher
Stimme ‹Summertime› sang, in diesem gebrochenen Tempo, die
Worte leidenschaftlich, in jähen Erinnerungsschüben, aus sich
herausstieß, als ob sie in einem drogenumnebelten inneren Kampf
immer wieder von der Matte hochkäme, wiegten sich Sukie und
Alexandra eine in den Armen der anderen, ohne die Füße zu bewegen,
ihr herabfal endes Haar war strähnig und tränenwirr, ihre Brüste
suchten,
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