Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Hexen von Eastwick

Titel: Die Hexen von Eastwick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
Vom Netzwerk:

Extra gedacht. Ich bin nicht dazu da, dich wütend zu machen.»
Womit sie auch meinte, daß sie nicht diejenige sei, die ihm Halt
    geben und ihn aus seinem Elend herausführen würde, er war zu
traurig und kaputt; obwohl sie durchaus weiblichfürsorgliche
Regungen verspürte, wenn sie diesen Männern im Al tag zusah – die
hängenden Schultern, die sie haben, wenn sie sich vom Stuhl erheben;
die verschämte Unbeholfenheit, mit der sie ihre Hosen aus- oder
anziehen; wie fügsam sie sich jeden Morgen die Bartstoppeln vom
Gesicht schaben und in die Welt hinausziehen und sich nach Geld
umsehen.
«Es macht mich schwindlig, was du mir offenbarst», sagte Clyde
und streichelte sanft ihre festen Brüste und ihren langgestreckten,
flachen Leib. «Du bist wie eine Klippe. Ich möchte springen.»
«Bitte, spring nicht», sagte Sukie. Sie hörte, wie ein Kind, ihre
Jüngste, sich im Bett wälzte. Das Haus war so klein, daß sie nachts
al e gleichsam Arm in Arm lagen, durch die tapezierten schiefen
Wände hindurch.
Clyde schlief ein, die Hand auf ihrem Bauch; sie mußte seinen
schweren Arm anheben – sein sanft raspelndes Schnarchen setzte aus
und dann wieder ein –, um sich aus der Matratzenmulde
herauswühlen zu können. Sie versuchte noch einmal zu pinkeln,
vergebens, nahm ihr Nachthemd und ihren Bademantel vom Haken
an der Innenseite der Badezimmertür und sah nach dem unruhigen
Kind, das in der Aufregung eines Alptraums al seine Decken
weggestrampelt hatte. Als sie wieder im Bett war, lul te sie sich in
Schlaf, indem sie im Geist zum alten Lenox-Haus flog – die
Tennisschlachten, die sie sich den ganzen Winter über würden liefern
können, nun, da Darryl so spendabel gewesen war, ein riesiges
Zeltdach instal ieren zu lassen, das durch Warmluft obengehalten
wurde; und die Drinks mit ihren hinzugefügten Farbnoten von
Limone und Kirsche und Minze und Paprika, die Fidel hinterher
servieren würde; und die Art, wie ihre Blicke, ihr Lachen, ihr
Geplauder sich ineinanderflechten würden, gleich den feuchten
    Ringen, die ihre Gläser auf dem Glastisch zurückließen in Darryls
gewaltigem Zimmer mit der verstaubten Pop Art. Hier waren Frauen
frei, erlöst von dem schalriechenden Leben, das neben ihnen
schnarchte. Als Sukie einschlief, träumte sie von einer ganz anderen
Frau, von Felicia Gabriel, ihrem verkniffenen, dreieckigen Gesicht,
aus dem es redete und redete, immer fuchtiger wurde sie, ihr Gesicht
kam näher, ihre Zungenspitze, rot wie ein Stückchen Paprika,
bewegte sich in gnadenloser, nicht nachlassender Entrüstung hinter
ihren Zähnen, züngelte zwischen den Zähnen hervor, berührte Sukie
hier, da, ja sicher, man sol te nicht, aber das fühlt sich an, wer
entscheidet denn, was natürlich ist, al es, was es gibt, ist natürlich,
und es sieht doch ohnehin niemand, oh, was für eine harte, schnel e
kleine rote Zungenspitze, so aufmerksam und klug geradezu, so gut.
Sukie wachte kurz auf und stel te fest, daß das, was Clyde an ihr
versäumt hatte, die Traum-Felicia hatte gutmachen wol en. Mit der
linken Hand, nicht im Takt mit Clydes Schnarchen, vol endete sie
das Angefangene. Der kleine Schatten einer Fledermaus taumelte
durch das Mondlicht, und auch das empfand Sukie als tröstlich: die
Vorstellung, daß es etwas Wachendes außerhalb ihres Bewußtseins
gab, wie früher, wenn spät in der Nacht eine Straßenbahn um eine
entfernte, unsichtbare Häuserecke kreischte, als sie noch ein Mädchen
war im Staat New York, in jener kleinen Backsteinstadt, die wie ein
Fingernagel ans Ende eines langen, eisigen Sees gebettet war.
    Die Liebe zu Sukie brachte Clyde dazu, daß er noch mehr trank;
betrunken konnte er sich entspannter in den Sumpf der Sehnsucht
sinken lassen. Ein Tier war jetzt in ihm, das ihm mit seinem Nagen
Gesellschaft leistete, gleichsam eine Unterhaltung, mit ihm führte.
Daß er sich einst auf die nämliche Weise nach Felicia verzehrt hatte,
ließ die Hoffnungslosigkeit seiner Situation um so verdienter
erscheinen. Sein Unglück war, daß er al es durchschaute. Er glaubte
    seit seinem siebten Lebensjahr nicht mehr an Gott, seit seinem
zehnten nicht mehr an Patriotismus, an die Kunst nicht mehr seit
seinem vierzehnten, als ihm aufging, daß er nie ein Beethoven, ein
Picasso, ein Shakespeare werden würde. Seine Lieblingsautoren waren
die großen Durchschauer, jene, die den großen Durchblick hatten:
Nietzsche, Hume, Gibbon, diese unbarmherzigen,

Weitere Kostenlose Bücher