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Die Hexen von Eastwick

Titel: Die Hexen von Eastwick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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Eastwick ist das Pflaster nicht rauh. Hier ist
al es Zuckerwatte.» Sie spülte die Krümel in ihrem Mund mit einem
letzten Schluck Kaffee hinunter und stand auf.
«Das Gefühl habe ich auch», sagte Jennifer, die das Zeichen
verstanden hatte und schon dabei war, ihren Schal aufzuklauben und
den armseligen, geflickten Parka. Als sie angezogen war und ebenfal s
stand, ergriff sie auf überraschende, erregend männliche Art Sukies
Hand und umschloß sie fest. «Danke», sagte sie, «daß Sie sich mit mir
unterhalten haben. Die einzige andere Person, die Interesse an uns
gezeigt hat, außer den Anwälten natürlich, war diese nette Pfarrerin,
Brenda Parsley.»
«Sie ist die Frau eines Pfarrers, keine Pfarrerin, und ob sie so nett ist
– ich weiß nicht.»
«Ihr Mann hat sich scheußlich gegen sie benommen, sagen al e.»
«Oder sie sich gegen ihn.»
«Ich wußte, daß Sie etwas in der Art sagen würden», sagte Jennifer
und lächelte, keineswegs unangenehm; Sukie jedoch fühlte sich nackt,
durchleuchtet, keine Bleiweste der Unschuld schützte sie. Ihr Leben
spielte sich auf offenem Marktplatz ab, vor al er Augen; sogar diese
kleine Fremde wußte schon Bescheid über einiges.
Bevor Jennifer sich den Schal zurechtwickelte, sah Sukie, daß sie ein
dünnes goldenes Kettchen um den Hals trug, wie viele Menschen, die
    ein Kreuz daran aufgefädelt haben; in der sanften weißen Halskuhle
des Mädchens jedoch hing das ägyptische Antoniuskreuz, die Ose
oben war wie der Kopf eines kleinen Männchens – ein Henkelkreuz,
Symbol des Lebens und des Todes in einem, ein uraltes mystisches
Symbol, das jüngst wieder in Mode gekommen war.
Es entging Jennifer nicht, daß Sukies Blick bei dem kleinen Kreuz
verweilte, und ihrerseits auf das Halsband aus Kupfermonden
schauend, das Sukie trug, sagte sie: «Meine Mutter trug auch
Kupferschmuck. Einen breiten, schlichten Armreifen, den ich noch
nie vorher gesehen habe. Als ob …»
«Als ob was, Herzchen?»
«Als ob sie irgend etwas hätte abwehren wol en.»
«Wol en wir das nicht al e?» sagte Sukie heiter. «Ich lasse von mir
hören, viel eicht spielen wir mal Tennis.»
    In Van Hornes großer Traglufthal e ging es akustisch und
athmosphärisch sonderbar zu: alle Geräusche, die Rufe der Spieler
und das Ploppen der Bäl e, wenn sie geschlagen wurden, schienen
erstickt, noch während sie ertönten, und Sukie spürte auf ihrer
sommersprossengesprenkelten Stirn und ihren Unterarmen einen leise
prickelnden Druck. Die bernsteinfarbenen Härchen auf ihren Armen
waren gesträubt, als seien sie elektrisch geladen. Unter dem
graugelblich sich wölbenden Leinwandfirmament lief al es wie in
kaum merklichem Zeitlupentempo ab; es war, als bewegten die
Spieler sich in komprimierter Luft, tatsächlich aber blieb der
Stoffdom stabil gebläht, weil die Luft in ihm, die von einem
unermüdlichen Gebläse durch einen unten in einer Ecke befindlichen
gähnenden Plastikmund gepumpt wurde, wärmer war als die
Winterluft draußen. Heute war der kürzeste Tag des Jahres. Der
Boden war eisenhart, lag verschlossen unter einem Himmel, dessen
    graumarmorierte Wolken Schnee spuckten, wie Asche, die im
Schornstein hochgesogen wird und sich dann mit dem Rauch verteilt.
Dünne pudrige Linien bildeten sich an Ziegelkanten und
freiliegenden Baumwurzeln, aber sie schmolzen in der fahlen
Mittagssonne; nirgendwo gab es ein Sichanhäufen, obwohl doch jedes
Geschäft, jede Bankfiliale mit Glöckchengebimmel und
Watteschmuck auf weiße Weihnachten drängte. Die Dock Street sah
ausgelaugt, gepeinigt aus, nachmittags, wenn früh das Dunkel über
die vermummten Käufer hereinbrach, die Galabeleuchtung ein
Aufschieben des Schlafs, ein verzweifelter, hohläugiger Versuch,
irgendeinem Versprechen in der bitteren schwarzen Luft gerecht zu
werden. Angetan mit Trikots und Wadenwärmern, Skipul overn und
zwei Paar in die Schuhe gezwängten Socken, spielten sie Tennis, die
jungen geschiedenen Mütter von Eastwick, und feierten Erholung
vom Weihnachtsgefeier.
Sukie hatte ein schlechtes Gewissen, sie fürchtete, den anderen
womöglich die Freude verdorben zu haben, weil sie Jennifer Gabriel
mitgebracht hatte. Nicht, daß Darryl Van Horne am Telefon
Einwände gegen ihren Vorschlag gehabt hätte, es war seine Natur,
neue Rekruten mit offenen Armen aufzunehmen, und ihr kleiner
Viererkreis wurde ihm ja vielleicht sowieso schon ein bißchen eng.
Wie die meisten Männer, besonders reiche

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