Die Hexen von Eastwick
unschlüssig, suchte nach einer
Ausflucht, aber der Gedanke an Wärme war verführerisch.
Sukie ergriff die Offensive. «Viel eicht haßt du mich, weil dir irgend
etwas zu Ohren gekommen ist. Wenn ja, täte es dir sicher gut, dich
darüber auszusprechen.»
«Mrs. Rougemont, weshalb sol te ich Sie hassen? Es ist nur, weil
Chris gerade in der Werkstatt ist mit dem Volvo – sogar das Auto, das
sie uns hinterlassen haben, ist nicht in Ordnung, es hätte längst zur
Inspektion gemußt.»
«Was immer damit los ist, die Reparatur dauert länger, als man euch
gesagt hat», bestimmte Sukie bündig, «und ich bin sicher, Chris
genießt es. Männer lieben Autowerkstätten. Al den Lärm. Wir
nehmen einen Tisch vorn am Fenster, dann kannst du ihn sehen, fal s
er vorbeikommt. Bitte. Ich möchte dir sagen, wie leid mir das mit
deinen Eltern tut. Er war ein so netter Boss, und ich sitze ziemlich in
der Tinte, jetzt, wo er nicht mehr da ist.»
Ein übel verrosteter Chevrolet, Baujahr 59, mit möwenflügelhaft
geschwungenem Kofferraum, schrammte mit seinen
Chromauswüchsen haarscharf an ihnen vorbei, als er über den
Bordstein schlingerte zum bräunlichgrünen Drive-in-Schalter hinauf;
Sukie faßte das Mädchen schützend am Arm. Und nicht wieder
loslassend, steuerte sie es über die Straße zu Nemo hin. Die Dock
Street war angesichts des zunehmenden motorisierten Verkehrs in
diesem Jahrhundert mehrmals verbreitert worden; von den
windschiefen Gehsteigen war an manchen Stel en nur so viel
übriggelassen, daß mit Not ein einzelner Fußgänger Platz hatte, und
einige der älteren Gebäude sprangen in ungewöhnlichen Winkeln vor. Nemo’s Diner war ein langer Aluminiumkasten mit abgerundeten
Ecken und einem breiten roten Streifen ringsum. Am späten
Vormittag hielten sich nur die Thekenhocker dort auf, Männer mit
Teilzeit-Jobs oder in den Ruhestand Entlassene, von denen einige, mit
einem beiläufigen Heben der Hand oder einem Nicken, Sukie
begrüßten, aber nicht mehr so erfreut, schien es ihr, nicht mehr so wie
früher, als Clyde Gabriel die Stadt noch nicht das Fürchten gelehrt
hatte.
Die kleinen Tische vorn waren leer, und das große Fenster, das zur
Straße hinausging, war beschlagen und mit Kondenswasser
übertröpfelt. Als Jennifer ins Licht blinzelte, sprangen kleine Fältchen
in den Winkeln ihrer eisblassen Augen auf, und Sukie sah, daß sie
nicht ganz so jung war, wie es auf der Straße den Anschein gehabt
hatte, als sie so abgerissen in der Kälte stand. Ihren schmutzigen Parka
mit den rechteckigen, aufgebügelten Vinylflicken legte sie ein bißchen
zu feierlich über den Stuhl neben sich, und obenauf packte sie,
säuberlich aufgerol t, den langen purpurroten Wol strang. Sie trug
einen einfachen grauen Rock und einen weißen Lammwol pul over.
Ihre Figur war ganz hübsch, ein bißchen untersetzt, al es an ihr hatte
eine Rundheit, die zu simpel wirkte – Arme, Brüste, Wangen, Hals:
al es war auf die gleiche akkurate Weise gerundet.
Rebecca, die Schlunze aus Antigua, zu der, wie jeder wußte, Fidel
eine enge Beziehung unterhielt, näherte sich hüftenschlingernd; die
schweren grauen Lippen, die so vieles hätten ausplaudern können,
waren schief aufeinandergefaltet. «Na, was möchten die Damen denn
gern.»
«Zwei Kaffee», sagte Sukie, und einer plötzlichen Regung folgend
bestellte sie noch Maiskuchen. Sie hatte eine Schwäche für
Maiskuchen, er war so krümelig und butterig und würde ihr an
diesem kalten Tag den Magen wärmen.
«Warum haben Sie gesagt, ich hasse Sie vielleicht?» fragte Jennifer
mit überraschender Direktheit, aber mit sanfter, schmächtiger
Stimme.
«Weil», Sukie beschloß, es hinter sich zu bringen, «weil ich die – na
was wohl, du weißt schon – die Geliebte deines Vaters war. Aber
nicht lange, erst seit diesem Sommer. Ich hatte nicht die Absicht,
irgend jemandem in die Quere zu kommen, ich wol te ihm nur ganz
einfach etwas geben, und ich bin al es, was ich habe. Und er war zum
Lieben, das weißt du.»
Das Mädchen zeigte sich nicht überrascht, wurde nur noch
nachdenklicher und senkte die Augen. «Ja, ich weiß», sagte sie, «aber
das ist wohl schon eine Weile her, glaube ich. Schon als wir noch
klein waren, hatte er etwas Überreiztes, Trauriges. Und abends roch er
so komisch. Einmal wol te ich mich an ihn kuscheln und habe aus
Versehen ein dickes Buch, das er im Schoß hielt, heruntergestoßen, da
fing er an, mich zu verprügeln,
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