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Die Hexenadvokatin

Die Hexenadvokatin

Titel: Die Hexenadvokatin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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antwortete die Nonne voll Überzeugung. Mehrere Punkte brachte die Gräfin noch zur Sprache, dann bedankte sie sich höflich bei der Mutter Oberin und entließ sie ohne weiteres. Einige der Kommissare und der anwesende Geistliche, ein Kaplan der Pfarrei von Sankt Peter, sahen »den Obersten Kommissar« erstaunt an.
    Sollte das etwa schon alles gewesen sein? Warum hatte der Richter nicht nachgebohrt, in welcher Gestalt dieser Dämon die junge Frau belästigt hatte? Immerhin war er selbst es doch
gewesen, den dieses Frauenzimmer beschuldigte! Wollte er diesen wichtigen Punkt etwa ganz unter den Tisch fallen lassen? Verwirrung machte sich auf manchen Gesichtern breit; aber die Mehrzahl der Anwesenden wirkte ganz zufrieden.
    Sie schienen, wenn auch nicht genau zu wissen, so doch zu ahnen, dass »der Hexenkommissar« gar nicht daran dachte, bei diesem Verfahren allzu viel Staub aufzuwirbeln. Im Gegenteil schien er sich darum zu bemühen, möglichst wenig Aufsehen zu erregen und seinen eigenen Namen wollte er offensichtlich ganz aus der Sache heraushalten. Einigen dämmerte bereits, dass »der Graf« behutsam darauf zusteuerte, eine seelische Störung der Beschuldigten deutlich werden zu lassen …
    Weshalb sonst hätte er die Oberin ganz nebenbei gefragt, ob es möglich sei, dass Nonnen durch zu exzessives Fasten und durch Mangel an Schlaf Halluzinationen haben könnten, die ihnen allerlei Dinge vorgaukelten, die es in Wirklichkeit gar nicht gab? Das bejahte die Leiterin des Konvents nachdrücklich. Die Beisitzer hatten aufgehorcht und »der Oberste Kommissar« vernahm den halblauten Einwand eines Kollegen, die Mutter Oberin sei schließlich kein Arzt und könne das folglich gar nicht beurteilen.
    Sofort griff Alberta die kritische Bemerkung auf - ja, sie schien nur darauf gewartet zu haben. Lächelnd fügte sie hinzu: »Wir wissen natürlich, dass Ihr kein Medicus seid, Ehrwürdige Mutter, und folglich nicht kompetent in dieser Angelegenheit. Ich meinte auch nur, ob es nach Eurer langjährigen Erfahrung als Leiterin eines Nonnenklosters …«
    Da fuhr die Zeugin jedoch temperamentvoll dazwischen: »Verzeiht, Herr! Aber ich bin nicht nur Nonne, sondern auch Doktor der Medizin. Ich habe mit einer Sondererlaubnis des Heiligen Vaters wie meines Ordens in Parma Heilkunde studiert,
bin promovierte Medica und kann dies selbstverständlich auch nachweisen.«
    »Niemand zweifelt an Euren Worten, Ehrwürdige Mutter«, hatte »der Oberste Kommissar« darauf liebenswürdig geantwortet. Proteste von allen, denen womöglich die ganze Art und Weise ihrer Verhandlungsführung nicht gefiel, hatte Alberta damit vorläufig zum Verstummen gebracht.
    Im Stillen beglückwünschte sie sich, einen so klugen Berater wie Pater Winfried an ihrer Seite zu haben. Es war der Einfall des Benediktiners gewesen, sich nach den Studiengängen der italienischen Edeldame zu erkundigen.
    Unwillkürlich wanderte ihr Blick zu ihrem Mentor, der bescheiden neben dem Gerichtsschreiber Platz genommen hatte und jetzt ein triumphierendes Lächeln nicht zu unterdrücken vermochte.
    Als nächsten Zeugen ließ Alberta den Beichtvater des Klosters, den Franziskanerpater Giacomo Monte, hereinbitten. Die Befragung verlief ähnlich wie die der Mutter Oberin. Auch dieses Mal gelang es »dem Obersten Kommissar«, die Fragen so zu stellen, dass der Pater gar keine Gelegenheit hatte, ihren Namen im Zusammenhang mit der teuflischen Erscheinung der Novizin zu bringen. Es war nur die Rede von einem »Edelmann«, der die Novizin angeblich bedrängt habe.
     
    Pater Winfried äußerte sich in der anschließenden Pause leise, aber voll des Lobes: »Das habt Ihr grandios hingebogen. Kein einziges Mal ist Euer Name aufgetaucht - und steht damit auch nicht im Protokoll des Gerichtsschreibers. Somit gibt es auch keine Verbindung zu Eurer Person. Möge Gott es geben, dass dies auch so bleibt.«

KAPITEL 50
    21. März 1612, auf Schloss Pechstein
     
    FÜR ETLICHE TAGE hatte Alberta das Verfahren gegen Constanze von Heilbrunn-Seligenthal unterbrechen lassen. Sie bedurfte dringend einiger Zeit des intensiven Nachdenkens, welche Strategie sie weiterverfolgen sollte.
    Irgendwie war man in einer Sackgasse gelandet, obwohl sich das Gerichtsverfahren zunächst ganz im Sinne der Gräfin entwickelte. Constanze sollte nicht als Besessene oder gar als Person gelten, die mit dem Teufel einen Pakt geschlossen hatte, um jemandem zu schaden.
    Mochte man das affektierte Frauenzimmer lieber für eine

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