Die Hexenadvokatin
nehmen, so viel Euch nötig dünkt - Hauptsache, Ihr seid erfolgreich!«
Alberta würde Pater Winfried bitten, sie beim Heiligen Vater einzuführen. Soviel sie wusste, hatte der Benediktiner im Jahre 1595 einige Zeit in Rom verbracht. Das war noch zu Zeiten von Papst Clemens VIII. gewesen; und dieser hatte dem Münchner Hof eine herbe Enttäuschung bereitet, indem er nicht einen Angehörigen der Herzogsfamilie, sondern den Habsburger Leopold zum Bischof von Passau machte. Hoffentlich war der derzeitige Heilige Vater den Wittelsbachern gnädiger gesinnt …
Als sie hörte, wen der Herzog zu ihrem geistlichen Begleiter bestimmt hatte, musste sie heftig schlucken: Doktor Wolfgang Hannemann, einen hochgebildeten Mann, Dekan von St. Peter, der ältesten Pfarrei Münchens.
Die Leute schätzten ihn als wortgewaltigen Prediger gegen die Irrtümer des Luthertums. Alberta war bekannt, dass Hannemann in Ingolstadt Theologie studierte, ehe er nach Bologna an die dortige Universität wechselte. Dort promovierte der Dekan zum Doktor der Theologie. Maximilian hatte ihn - neben
Pater Winfried - zum Beichtiger der im Falkenturm einsitzenden Hexen berufen, ehe sich Franziskaner- oder Augustinermönche dort breitmachen konnten. Diese Patres wollte der Herzog von den Gefangenen tunlichst fernhalten.
Einige von ihnen hatten nämlich während der Schongauer Hexenprozesse allerhand Wirbel veranstaltet, als sie behaupteten, die überführten Hexen seien alle unschuldig. Gestanden hätten sie nur, um den unmenschlichen Martern zu entgehen. In der Beichte hätten sie aber etwas ganz anderes gesagt … Nur mit Mühe hatte damals die Obrigkeit einen Aufschub der bereits angesetzten Verbrennungen und eine Wiederaufnahme der Prozesse verhindern können.
Dekan Hannemann hatte ins gleiche Horn wie der Herzog gestoßen und die Scheiterhaufen in Schongau durften lodern. Ein Sachverhalt, der ihn Alberta nicht gerade sympathischer machte.
Aber ihr fiel im Augenblick nichts ein, was sie gegen die Begleitung des angesehenen Geistlichen vorbringen konnte. So beschränkte sie sich darauf, ergeben zu nicken und sich schweigend vor ihrem Landesherrn zu verbeugen.
Eines war jedenfalls gewiss: Der Dekan von St. Peter war dem bayerischen Herrscherhaus gegenüber absolut loyal; so gesehen würde er ihr gewiss eine große Hilfe bei ihrem delikaten Anliegen in Rom sein.
KAPITEL 24
22. Juli 1611, im Palais Mangfall-Pechstein
GRÄFIN ALBERTA HATTE schlechte Laune. Auf dem Nachhauseweg von der Frühmesse, die sie - wie alle Geheimen Räte und sonstigen Beamten des Herzogs - jeden Tag in der vorgeschriebenen düsteren Tracht besuchte, hatte ihr eine Schar Münchner Gassenbuben wieder einmal »Hexenrichter, Hexenrichter!« hinterhergeschrien.
Als sie nicht darauf reagierte, in der Hoffnung, die Burschen würden sich von alleine wieder davonmachen, drehten diese erst recht auf und grölten ein Lied, das sie »extra für ihn, den Hexenrichter Pechstein« verfasst hatten:
Schaugt’s’n o’
den braven Mo’!
Er tuat, was er ko’.
Legt si’ a’ mi’m Teifi o’,
verbrennt die Hexen, hollaro!
Alberta beschleunigte daraufhin ihre Schritte, vernahm aber dennoch das rohe Gelächter und weitere dumme Sprüche, die sie allesamt erbosten. Sie hasste es, als »Oberster Kommissar in Hexenangelegenheiten« vom Pöbel erkannt zu werden. Auf diese Art von Reputation konnte sie gut und gerne verzichten - zumal sie ja schon vor geraumer Zeit innerlich eine völlige Kehrtwendung - was die »Hexerei« anbetraf - vollzogen hatte.
Als Pater Winfried im Palais eintraf, zitierte Alberta die ungebetene »Huldigung«, wobei sie diese allerdings in allgemein verständliches Deutsch übertrug:
»›Schaut ihn an, den braven Mann! Er tut, was er kann. Legt
sich auch mit dem Teufel an, verbrennt die Hexen, hollaro!‹ Das haben die unverschämten Lausbuben hinter mir her geschrien.«
»Das reimt sich ja sogar - bis auf die letzte Zeile«, grinste der Pater. Er konnte die Aversion Albertas gegen den Titel »Hexenrichter« zwar verstehen; aber da man nun einmal gegen die freche Gassenjugend Münchens nicht ankam, war es am besten, sie zu ignorieren. Das gab er auch seinem Schützling zu verstehen.
Die junge Frau seufzte.
»Ihr habt ja Recht, Pater. Es wird besser sein, ich widme mich wieder der Kodifizierung und teilweisen Neufassung des in Bayern geltenden Zivil- und Prozessrechts. Der Codex Maximilianeus soll ja möglichst bald fertig werden. Unser Herzog strebt
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