Die Hexenfalle
zwischen Regal und Wand, und
ich hob die Hand, um ihn zu öffnen.
»Da ist nichts drin !« sagte Iris scharf. »Laß ihn zu !«
»Dieser Schrank ist solide
Handwerksarbeit .« Ihre unangenehme Art, mit
Kommandostimme Befehle zu erteilen, begann mich zu fuchsen. »Ich möchte mir nur
ansehen, wie die Türen eingepaßt sind .«
»Laß den Schrank in Ruhe !« Sie schrie fast. »Verdammt noch mal, steck deine Nase
nicht in Dinge, die dich nichts angehen !«
Ich riß beide Türen auf und
starrte in den Schrank. Auf den ersten Blick schien sie recht gehabt zu haben —
er war leer. Doch dann entdeckte ich den Suppenteller hinten in der Ecke. Als
ich ihn zu mir heranzog, schwappte das Wasser darin und wiegte einen kleinen
Gegenstand. Bei näherem Hinsehen erkannte ich ein kleines, aus Ton geformtes
Figürchen, das offensichtlich eine Frau darstellen sollte und — ich traute
meinen Augen kaum — leuchtend rosa Haare hatte.
»Igittigitt«, sagte Iris dicht
neben mir. »Was ist denn das? Hat sich da jemand einen Scherz erlaubt ?«
»Ich weiß nicht .« Ich wandte mich ihr zu. »Gehört es denn nicht dir ?«
»Willst du mich auf den Arm
nehmen ?« Das Schnurren ging in Fauchen über. »Was
sollte ich mit so einem komischen Ding ?«
»Du wolltest nicht, daß ich den
Schrank öffne .«
»Das stimmt .« Sie verlor etwas von ihrer Sicherheit und wich meinem Blick aus. »Ich hatte
etwas — Privates — da drinnen .« Ihre Augen
durchforschten das Schrankinnere. »Wer dieses dämliche Ding auch hinterlassen
hat, er muß mein...«
»Dein was?«
»Mein pornographisches Buch,
verdammt noch mal! Ein Geschenk von Alec Wendover, es war auch noch
illustriert. Hundertundeins Möglichkeiten...« Sie kicherte plötzlich.
»Eigentlich wollte ich es verbrennen, aber es faszinierte mich. Einige der
Illustrationen waren...« Sie unterbrach sich und begann hilflos zu lachen.
»Das ist eine
Ungeheuerlichkeit«, sagte ich kalt.
Sie hörte auf zu lachen.
»Verletzt es dein Gefühl für Anstand ?«
»Nicht das Buch.« Ich wies auf
den Teller. »Das da.«
»Warum?« Sie runzelte die
Stirn. »Sicher ist es ein bißchen sonderbar, aber doch kein Grund, gleich so
hysterisch zu reagieren .«
»Jeder kennt die alten
Geschichten über Menschen, die von mysteriösen Krankheiten befallen wurden,
nachdem sie mit Hexen aneinandergeraten waren«, sagte ich belehrend. »Die Hexe
formt aus Wachs oder irgendeinem anderen Material, etwa Ton, eine kleine Puppe
und fügt ihr irgend etwas , das von ihrem Opfer stammt,
hinzu: ein Stückchen Fingernagel oder eine Haarsträhne. Dann werden Nadeln in
die Puppe gestochen, und an den Körperteilen, wo die Nadeln stecken, empfindet
das Opfer echte Schmerzen .«
»Meinst du das ernst ?« Iris starrte mich ungläubig an und sah dann auf den
Teller hinunter. »Du willst doch wohl nicht sagen, daß diese Figur auch so
etwas bedeuten soll ?«
»Nehmen wir es zum Spaß einmal
an«, sagte ich gereizt. »Immerhin hat die Figur leuchtend rosa Haar, stimmt’s ?«
»Elaine?« Ihre Stimme klang
amüsiert. »Das ist lächerlich, Larry. Außerdem kann ich keinerlei Nadeln entdecken .«
»Es müssen nicht unbedingt
Nadeln sein .« Gegen meinen Willen wurde ich wütend.
»Sie liegt auf dem Grund des Tellers im Wasser .«
Ihre Augen weiteten sich.
»Willst du etwa behaupten, daß Elaine wegen diesem Ding hier gestern nacht ins Wasser gegangen ist ?«
Ich hatte keine Gelegenheit
mehr zu antworten, da sich in diesem Augenblick die Tür öffnete und Tante Emma
eintrat, gefolgt von Steve Engsted.
»Tut mir leid, wenn wir die
Führung unterbrechen«, sagte Engsted entschuldigend. »Aber ich bin gerade mit
Elaine fertig und glaube, es wäre gut, wenn wir uns außerhalb ihrer Hörweite
noch ein bißchen unterhalten könnten .«
»Ich habe eben etwas entdeckt«,
sagte ich. »Sehen Sie sich das doch einmal an .«
Die beiden kamen auf uns zu,
und ich wies auf den Teller. »Iris behauptet, sie wüßte nicht, wie das
hierhergekommen ist .«
»Was soll das sein ?« fragte Engsted verständnislos. »Wollte sich jemand einen
Scherz erlauben? Ich meine...«
Er wurde plötzlich von Tante
Emma beiseite gedrängt, deren Augen in kalter Wut funkelten. »Rühren Sie es
nicht an !« stieß sie hervor. »Niemand außer mir darf
es berühren .« Sie zog ein Taschentuch aus ihrem Ärmel
und legte es neben den Teller. »Das hat das malum secutum verursacht .« Langsam und unendlich behutsam nahm sie das Figürchen aus dem Wasser, legte
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