Die Hexenfalle
haben Sie Ihre Praxis
aufgegeben ?« erkundigte ich mich.
»Meine Frau verließ mich, und
danach schien mir nichts mehr von Bedeutung zu sein .« Er nahm einen Schluck aus seinem Glas und starrte die Wand an. »Sie war ein
ausgemachtes Luder mit einem Kastrationskomplex«, er lachte kurz auf. »Mich hat
sie damit erledigt. Die ganze Geschichte entbehrt in Anbetracht meines Berufs
nicht einer gewissen Ironie. Ich war mir über ihre Motive völlig klar und
konnte dennoch nichts verhindern. Sie war vier Jahre älter als ich, und eine
ältere Frau zu heiraten war mein erster Fehler. Die Ehe, wenn man sie überhaupt
so nennen will, dauerte nur ein Jahr. Ich hätte eine jüngere Frau nehmen sollen .«
»Haben Sie nicht daran gedacht,
wieder zu heiraten ?« fragte ich.
Er schüttelte den Kopf. »Ich
bin sechsundvierzig und habe eine Glatze. Welches junge Mädchen würde mir auch
nur einen zweiten Blick schenken? Nein, dafür ist es jetzt zu spät.
Glücklicherweise besitze ich etwas Geld, so daß ich mich nicht um die Miete zu
sorgen brauche. Und es hat viel Zeit gekostet, das Trauma zu überwinden, das
mir meine Verflossene hinterlassen hat .«
»Heutzutage spielt der
Altersunterschied doch keine Rolle mehr«, sagte ich. »Wenn Sie auf die Suche
gingen, würden Sie ohne weiteres die richtige junge Frau finden .«
»Arbeiten Sie für eine
Ehevermittlung ?« Er grinste leicht und schüttelte dann
den Kopf. »Nein, das ist endgültig vorbei. Jedesmal, wenn ich an so etwas
denke, schaue ich in den Spiegel und lasse es bleiben .« Er leerte sein Glas und stand auf. »Bei Iris ist man nie ganz sicher; sie
könnte es sich anders überlegen und doch bald zurückkommen. Ich gehe jetzt
lieber zu Elaine hinauf. Je früher wir das Experiment hinter uns haben, desto
besser .«
»Ich warte hier unten, bis Sie
fertig sind«, sagte ich.
Nachdem er hinausgegangen war,
verspeiste ich das letzte Sandwich und füllte mir erneut mein Glas. Etwa eine
Viertelstunde später kam die Haushälterin mit einem leeren Tablett herein. Ich
beobachtete sie, wie sie mit ungeheurem Aufwand die wenigen Teller zusammenstellte.
Als sie endlich fertig war, wandte sie den Kopf und sah mich feindselig an.
»Ich dachte, nach gestern nacht wären Sie ihr Freund«, sagte sie
vorwurfsvoll. »Und jetzt sind Sie auf deren Seite und treiben sie aus ihrem
eigenen Haus !« Die dünnen Lippen preßten sich so fest
zusammen, daß sie kaum noch wahrnehmbar waren. »Sie sollten sich schämen .«
»Iris ist von sich aus
gegangen«, erwiderte ich.
»Haarspalterei!« Sie zog
geräuschvoll die Luft ein. »Sie wissen nicht, was das Mädchen während der
vergangenen zwölf Monate durchgemacht hat. Sie fühlt sich verantwortlich wegen
der Erbanlage .«
»Der Erbanlage ?« wiederholte ich verständnislos.
»In der Langdon-Familie«,
erläuterte sie. »Sie tritt in jeder Generation zutage. Emma hat sie. Sarah
verzichtete auf ihr eigenes Glück und opferte sich für ihre Schwester. Die
Krankheit brach erst aus, nachdem Emma geheiratet hatte — es war eine
Katastrophe .«
»Sie hat mir davon erzählt«,
sagte ich. »Sie war zehn Jahre verheiratet, und dann ging ihr Mann mit seiner
Sekretärin durch .«
»Das hat sie erzählt ?« Mrs. Robins schnob verächtlich durch die Nase. »Die
Wahrheit ist, daß sie nicht mal ein Jahr verheiratet waren. Dann wollte sie ihm
nachts, während er schlief, die Gurgel durchschneiden. Er hatte sechs Stiche im
Hals und wollte sie in eine geschlossene Anstalt bringen lassen, aber Sarah
redete ihm das aus. Sie bezahlte die Scheidung und nahm Emma hierher zu uns.
Sarah Langdon war zwar fast eine Heilige, aber sie war nicht dumm. Darum hat
sie das Haus Iris vererbt und nicht beiden Mädchen gemeinsam. Wenn es nicht um
Iris ginge, würde ich keine Minute länger hierbleiben, aber sie braucht mich,
wie ihre Tante mich gebraucht hat. Natürlich hat Iris ihre Fehler, das will ich
nicht bestreiten — der Jähzorn und die Schamlosigkeit, die sie mitunter an den
Tag legt —, aber sie trägt auch eine schwere Last .«
Ich blickte sie neugierig an.
»Warum erzählen Sie mir das alles ?«
»Weil Sie der einzige sind, der
ihr im Augenblick helfen kann .«
»Auf welche Weise?«
»Der Wahnsinn greift um sich
wie eine Seuche, Mr. Baker. Ist er erst einmal ausgebrochen, kann man ihn kaum
noch aufhalten .« Sie wies mit einer heftigen
Kopfbewegung zur Zimmerdecke. »Der da oben hat jetzt auch schon etwas
abgekriegt. Manchmal denke ich, er hatte es schon,
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