Die Hexengabe: Roman (German Edition)
auch werden. Raihana, wie wird man so schwarz und stark?«
Das brachte mich zum Lachen.
»Warum lachst du?« Kaspar stand vor mir, die Hände in seine runde Taille gestemmt, und funkelte mich an.
Ich biss mir auf die Lippen. »Nun, ein schwarzer Mann kannst du nicht werden.«
Enttäuscht verzog sich sein Mund nach unten.
»Es sei denn, du malst dich mit schwarzer Farbe an.«
»O ja!« Bevor ich ihn halten konnte, stürmte Kaspar davon.
Dorothea stützte sich auf und warf mir erschrockene Blicke zu. »Im Harem werden doch nur Eunuchen geduldet!«
Ich musste sofort mit Amatulkarim reden. Nicht dieses Kind!
Ich ging zu Dorothea hinüber, zwang sie, etwas Tee zu trinken, und strich ihr beruhigend über die mageren Schultern. Sie spuckte ihn sofort wieder aus und hustete.
Seit einem Monat ging das schon so, zuerst hatte ich den Verdacht gehegt, dass Beshir sie langsam vergiftete, um mir die einzige Freundin zu nehmen, die ich jemals gehabt hatte. Doch dann wurde mir klar, dass Dorothea vom Heimweh aufgefressen wurde, von der Sehnsucht nach ihrem Zuhause, und selbst ihr Sohn änderte nichts an dieser Auszehrung.
Wenn mein Söhnchen noch leben würde, ich wäre stark wie eine Löwin. Aber was maße ich mir an, ich bin Dorotheas Weg nicht in ihren Papooshs geschritten.
»Ich werde dafür sorgen, dass dein Sohn nicht entmannt wird. Aber dann muss er den Harem verlassen.«
Tränen liefen über Dorotheas Wange. »Natürlich muss er den Harem verlassen«, keuchte sie, »denn er wird nach Hause fahren, nach Nürnberg, und dort wird er ein noch besserer Spielkartenmacher werden als mein Vater.«
Ich musste mehrmals schlucken, bevor ich antworten konnte. Sollte ich sie etwa belügen und davon reden, dass wir den Harem verlassen würden? Obwohl ich längst wusste, durch welche Türen man nach draußen gelangen konnte, wäre es mir allein niemals gelungen zu fliehen. Als meine Freundschaft mit Dorothea zu wachsen begann, hatte ich gehofft, wir könnten es gemeinsam schaffen, aber sie war immer nur schwächer geworden. Und dann war da noch dieses unberechenbare Kind.
»Ja«, sagte ich trotzdem. Wir brauchten eine fähige Ärztin oder noch besser eine Wunderheilerin. Wenn Dorothea vollkommen gesund wäre, könnten wir es zusammen mit Kaspar schaffen. Aber ich hatte große Sorge, dass Dorothea niemals mehr gesund, ja schlimmer noch, dass sie bald sterben würde. Nur die Sorge um ihren Sohn hielt sie am Leben.
Unser Spiel und Kaspars Auftritt hatten Dorothea erschöpft, sie schloss die Augen. Ich deckte sie mit einem Kashmirschal zu und machte mich auf den Weg zu Khan Bahadurs erster Frau.
Schon von Weitem hörte ich Kaspar, wie er die Sklavinnen von Amatulkarim herumscheuchte. Eigentlich war auch er ein Sklave, aber niemand behandelte ihn so. Ich hatte sogar beobachtet, wie er Beshir ein heimliches Lächeln abringen konnte.
Die erste Frau von Khan Ammar bewohnte den größten Palast und verfügte über eine eigene Vorsteherin, die Mahaldar, die mich nicht ohne Weiteres zu ihr durchlassen wollte. Zwei Pagodas öffneten mir jedoch schließlich die Tür zu ihrem Reich.
Kaspar stand barfuß auf dem blau-goldenen Mosaikboden, nur in dünne Pajamas gekleidet, alles andere war nackt. Seine Haut war über und über mit einer schwarzen Substanz beschmiert, die aussah wie zerbröselte, in Wasser aufgelöste Kohle.
Um ihn herum standen Amatulkarim mit ihren Sklavinnen und schütteten sich aus vor Lachen.
Gut, dass seine Mutter ihn nicht sehen konnte.
Sobald das Lachen abebbte, goss er sich wieder schwarze Pampe über den Kopf verrieb sie auf seinem Körper und führte dann die Tanzschritte vor, die ihm Amatulkarim beigebracht hatte.
Ich näherte mich ihr und verneigte mich, so wie es der Respekt vor der ersten Frau des Khans gebot. Doch das war alles an Höflichkeitsgesten, was ich mir abringen konnte.
Ich trat zu ihr hin, atmete den süßen Duft von Rosenöl und Jasmin ein, mit dem ihre Kleider allzu reichlich parfümiert waren. Ich hielt den Blick gesenkt, doch er wurde magisch angezogen von dem Diamanten in ihrem Bauchnabel, der groß wie ein Taubenei war und in allen Regenbogenfarben funkelte.
Sie war die erste Frau, die es gewagt hatte, statt der Pajamas mit dem Choli darüber den bauchfreien Sari der Rajputenfrauen zu tragen.
»Dieser junge Tollpatsch hier hat seiner Mutter erzählt, du hättest Pläne, ihn für immer bei dir zu behalten?«
»Diese meine Pläne haben dich nicht zu interessieren, Raihana.«
Es war
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