Die Hexengabe: Roman (German Edition)
mir!«, murmelte sie, dann ohrfeigte sie ihn einmal, zweimal. »Komm schon, komm schon!«, flüsterte sie und schlug noch kräftiger ein drittes Mal zu.
Er blinzelte.
»Los, Luis, nur hier rauf, dann hast du’s geschafft. Ich lenke den Karren alleine zurück.«
Rosa stieg auf den Karren, half ihm, zerrte ihn hoch und legte ihn neben den Goldsack. Schwer atmend kniete sie sich neben ihn. »Liebster, wir schaffen das!«
Aber er hatte die Augen schon wieder geschlossen und zitterte am ganzen Leib. Am liebsten hätte Rosa ihn mit ihrem Körper gewärmt, aber das war jetzt unmöglich.
Sie zog ihre Jacke aus und legte sie über ihn, schwang sich dann auf den Kutschbock und trieb die Pferde zu allergrößter Eile an. Es konnte nicht mehr lange dauern, und man würde entdecken, was geschehen war.
Wie gut, dachte sie, dass wir bei den Franzosen wohnen, dort wird uns keiner suchen.
40. Kapitel
R osa saß neben Luis auf dem Bett. Er bewegte sich unruhig, seine Haut schimmerte feucht vom Fieber, und er murmelte beständig Unverständliches vor sich hin. Französisches mischte sich mit deutschen und italienischen Satzfetzen.
Sie tupfte seine heiße Stirn mit einem feuchten Lappen ab und stellte mit Entsetzen fest, dass er noch heißer glühte. Sie nahm seine Hand, hielt sie an ihre Wange und wünschte sich nichts mehr, als dass Luis wieder gesund werden würde, wünschte sich sein Grinsen zurück, seine Hände auf ihrem Gesicht, seinen Leib an ihrem.
Er durfte doch jetzt nicht sterben. Sie verfluchte das Gold, das ihn vielleicht das Leben kosten würde. Und der Gedanke daran, dass es mit Menschenhandel erworben worden war, erfüllte sie nur mit noch größerem Abscheu.
»Marie-Christin!«, flüsterte Luis und öffnete plötzlich seine Augen. Sie beugte sich zu ihm. »Ich bin Rosa.«
Er starrte sie an wie eine Fremde, doch dann durchzuckte ihn die Erkenntnis, wer sie war, und er lächelte. »Rosa, meine Rosa.« Er umklammerte mit beiden Händen ihre Hand. »Wo ist das Gold?«
»In Sicherheit, in Sicherheit«, beruhigte sie ihn.
Er entspannte sich etwas. »Damit können wir nach Hause fahren und dann heiraten.«
»Heiraten – du fieberst wirklich stark.« Rosa lächelte ihn an. Seine Augen klappten erschöpft wieder zu.
Er hatte noch nie vom Heiraten gesprochen, nicht nach ihrer ersten gemeinsamen Nacht und nicht, bevor sie zum Hafen aufgebrochen waren. Und als sie ihn nach ein paar Wochen gefragt hatte, was sie tun sollte, wenn sie schwanger würde, da hatte er sie wütend gefragt, ob sie glaube, dass er sie und seine Kinder jemals im Stich lassen, sich wie sein elender Vater verhalten würde.
Sie hatte ihn mit Küssen beschwichtigt, seine Antwort hatte sie beruhigt. Doch als er dann später davon zu reden begann, dass es sein Traum sei, auf einer Zuckerrohrplantage in der Karibik zu leben, hatte sie sich ausgeschlossen gefühlt. Denn wo sollte da ihr Platz sein? Sie gehörte nach Nürnberg.
Danach hatten sie nicht mehr darüber gesprochen, obwohl Rosa es versucht hatte. Luis war immer nur von dem Gedanken besessen gewesen, das Gold von der Amalberga zu holen.
Seit sie vom Hafen zurückgekommen waren, hatte sich sein Zustand ständig verschlechtert, obwohl er von einem Arzt betreut wurde. Dr. du Toit hatte die Kugel zwar entfernt, doch die Wunde hatte sich infiziert, und der Arzt war an den Grenzen seines Könnens angelangt. Man könne Luis’ Heilung jetzt nur noch in Gottes Hand legen, und der meine es ja offensichtlich gut mit Luis, denn es sei ein Wunder, dass dieser nicht schon am Blutverlust gestorben sei.
Die Weinbauern waren sehr bestürzt über den brutalen Überfall, als den Rosa es ihnen ausführlich geschildert hatte. Es wären ihnen üble Banditen gefolgt, gleich nachdem sie ihr Geld abgeholt hätten. Obwohl Rosa den Überfall in den glühendsten Farben schilderte, bemerkte sie, dass einige der Hugenotten Zweifel an ihrer Geschichte und vor allem an der Herkunft des Goldes hatten. Deshalb spendete sie von dem Gold eine große Menge für den Bau einer seit Langem ersehnten Kirche. Das Geld wurde von der Gemeinde mit Wohlwollen aufgenommen und zerstreute das Misstrauen. Täglich wurde für Luis gebetet.
Trotzdem fühlte sich Rosa nicht wohl in ihrer Haut. Sie konnte lediglich wenige französische Phrasen und kam sich nur geduldet vor, wusste auch in dem Versammlungsort der Hugenotten nie, wo sie sich hinstellen und was sie tun sollte, obwohl sie doch auch eine Protestantin war. Es gab
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