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Die Hexengabe: Roman (German Edition)

Die Hexengabe: Roman (German Edition)

Titel: Die Hexengabe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Mannel
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Suppe mit Brot und morgens mit Brei ergänzt.
    Sie band die Pferde zusammen mit den anderen an einen umgefallenen Baumstamm und machte sich dann daran, beim Feuerholzsammeln mitzuhelfen. Keine leichte Aufgabe, denn es lag nicht das kleinste Stückchen Holz herum. Schließlich schnitt sie einfach Zweige von den wenigen Bäumen, die sie dann zum Lager zurückschleppte.
    Endlich kamen die Venezianer von der Jagd zurück. Doch von einem prächtigen Hirsch war nichts zu sehen, nur vier schmächtige Hasen baumelten über Giacomos Schultern. Trotzdem, ein kleines Stückchen Fleisch würde für sie bestimmt abfallen, dafür würde Giacomo schon sorgen.
    Das Feuer qualmte stark, weil die Äste noch zu frisch gewesen waren, und als die Hasen auf Rosten darübergelegt wurden, witzelten die Männer, die Hasen würden eher geräuchert als gebraten. Einige behaupteten, an diesem unheilvollen Ort würde kein Feuer mehr anständig brennen, weil die Geister böse hineinfurzten, das Feuer zum Qualmen brachten und so verhinderten, dass es loderte.
    Für Rosa rochen die brennenden Tannenzweige würzig, und als das Fett der Hasen leise zischend ins Feuer tropfte, wurde ihr Hunger noch größer. Neben den Hasen hatte man einen Dreifuß errichtet, an dessen Ketten ein Topf mit Suppe köchelte, die nach Speck, Petersilie und Sellerie duftete.
    Die beiden Kaufmänner hatten verlangt, Rosa solle sich, solange sie über den Brenner reisten und kein Gasthaus in der Nähe war, so unsichtbar wie möglich machen, um keine Unruhe unter den Männern auszulösen. Sie saß deshalb abends nie lange am Feuer, sondern suchte bald in einiger Entfernung ihr Lager auf. An diesem Abend schien es ihr, als würde es ewig dauern, bis das Essen fertig war. Die Zwillinge kamen ihr in den Sinn, die selten Appetit hatten, die sollte man auf so eine Reise schicken! Seit Rosa unterwegs war, wurde sie nie richtig satt. Sie schob sich eine getrocknete Apfelscheibe in den Mund und kaute lustlos darauf herum.
    »Porca miseria«, fiel ihr ein; manchmal war es vielleicht doch eine Erleichterung zu fluchen. Sie versuchte, sich vorzustellen, ob es etwas gäbe, bei dem ihrer Mutter ein Fluch über die Lippen käme, aber ihr fiel beim besten Willen nichts ein. Vielleicht, wenn sie Kaspar nicht mitbringen und sie alles verlieren würden? Rosa seufzte. Und wenn ich es rechtzeitig schaffe, wird sie mich dann in die Arme nehmen? Einmal nur?
    In diesem Augenblick begann Baldessarini, die Hasen vom Feuer zu nehmen. Beim Zerteilen des Fleisches blitzte sein langes Messer in der Dämmerung silbern auf. Der Duft des gebratenen Fleisches brachte Rosa dazu, sich nach vorne zu drängen. Diesmal wollte sie auch ein Stück, ein nicht zu kleines. Eigentlich sogar eine große Portion.
    Da reichte ihr Giacomo auch schon einen Schlegel und wünschte ihr freundlich lächelnd eine gute Nacht.
    Sie nickte ihm zu und machte sich dann auf zu ihrem Lager, um den Schlegel dort mit etwas Fladenbrot zu essen. Dabei dachte sie an Dorothea. Ob deren Reise an der Seite ihres Ehemannes angenehmer gewesen war? Es kam Rosa so vor, als würde jeder Tag, den sie unterwegs waren, nur dazu dienen, ihr klarzumachen, wie unmöglich ihr Vorhaben war. Selbst wenn sie in Masulipatnam ankam, wie sollte sie dort ihre Schwester finden? Ihre einzige Hoffnung bestand darin, dass es dort vielleicht europäische Priester gab, die ihr weiterhelfen konnten.
    Aber wie würde Dorothea überhaupt reagieren, wenn Rosa plötzlich vor ihrer Tür aufkreuzte? Würde sie ihr das Kind anvertrauen – und was würde Dorotheas Mann dazu sagen?
    Der Schlegel hatte kaum Fleisch, deshalb nagte Rosa die Knochen blitzblank ab und wünschte sich, es wäre noch mehr da. Um den Hunger etwas zu dämpfen, steckte sie sich stattdessen eine weitere getrocknete Apfelscheibe in den Mund und legte sich zum Schlafen nieder.
    Ihr letzter Gedanke war, dass seit dem 15. Juli schon acht Wochen vergangen waren, und sie war noch nicht mal in der Nähe eines Hafens angekommen. Sie hatte keinen Zweifel, dass man ihre Mutter sofort in den Schuldturm werfen würde, wenn sie nicht rechtzeitig zurückkehrte. Und das würden ihre Schwestern nicht überleben.

12. Kapitel
     
    R osa erwachte von aufeinanderkrachenden Steinen und lautem Pferdewiehern.
    Steinschlag! Davor hatte Giacomo sie gewarnt. Sie sprang auf, schlüpfte in ihre Schuhe und versuchte herauszufinden, von wo die Geräusche gekommen waren. Der Mond war zwar nur eine schmale Sichel, doch ihre Augen

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