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Die Hexengabe: Roman (German Edition)

Die Hexengabe: Roman (German Edition)

Titel: Die Hexengabe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Mannel
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verloren hatte, und sagte dann immer: »Glück in der Liebe, Pech im Spiel«, was Giacomo die Augen verdrehen ließ. »Weder noch, werter Schwager, weder noch!«
    Rosa hatte das Gefühl, dass sich auch Giacomo in ihrer Gesellschaft mehr und mehr zu Hause fühlte, deshalb wunderte sie sich, dass er nicht öfter zu ihr kam. Den ganzen Tag wartete sie auf ihn, und wenn er sich nicht zeigte, dann erschien ihr plötzlich alles vollkommen sinnlos, und durch ihren Magen zog ein merkwürdig wehes, leeres Gefühl, sogar dann, wenn sie reichlich gegessen hatte.
    Doch sie verbot es sich, darüber weiter zu grübeln, und versuchte stattdessen, ihr Italienisch zu verbessern. Sie konnte bislang nur so viel, dass sie in Venedig nicht verhungert wäre. Wie man Brot, Käse, Fleisch und Gemüse kaufte, wie man sich begrüßte und verabschiedete, nach dem Befinden fragte – mehr hatte sie noch nicht gelernt.
    »Buona sera!« Giacomo kam herangeritten und wedelte wie immer übertrieben mit seinem großen, flachen Hut, an dessen leicht aufgebogener Krempe eine Fasanenfeder lustig zitterte.
    »Buona sera!«, gab Rosa zurück. Plötzlich fühlte sie sich gar nicht mehr so müde und elend. Ihr Herz klopfte etwas schneller, als sie zu ihm aufsah.
    »Und wie gefällt dir diese Aussicht?«, fragte er und deutete auf das vor ihnen liegende Eisacktal.
    »Sie macht mir Angst.« Die Worte waren Rosa entschlüpft, bevor sie nachgedacht hatte. »Alles ist so wild zerklüftet, all diese entwurzelten Tannen, die herumliegen. Und die Felsen sind so nah und verdunkeln alles.«
    Er nickte. »Das verstehe ich gut, diese schroffen Berge sind wirklich zum Greifen nah. Wenn du Weite sehen willst, dann musst du direkt in den Himmel schauen. Wie sagt der Italiener zum Himmel?«
    »Il Cielo«, antwortete Rosa, die ebenfalls in den blauen Himmel sah und wirklich für einen Moment alles andere vergaß.
    »Dieser Weg wird noch viel steiniger und enger. An einigen Stellen werden wir sogar alle absteigen müssen. Deshalb, glaube ich, ist heute der Tag, an dem du lernen solltest, wie man flucht, das hilft manchmal.«
    »Ein anständiger Mensch flucht nicht«, entrüstete sie sich.
    »Certamente, Signorina bella, aber wenn du in Venedig ernst genommen werden willst, dann musst du lernen, wie ein Marktweib zu fluchen, oder willst du überall draufzahlen?«
    »Nein«, sagte Rosa, war aber in Gedanken ganz woanders. Sie fand, Giacomo sah gar nicht mehr wie ein Milchbart aus, jetzt, wo er so dunkle Schatten im Gesicht hatte wie der katholische Priester. Wenn er beim Sprechen seine vollen Lippen bewegte, hatte Rosa gar keine Lust, auch etwas zu sagen, dann wollte sie nur diesen Lippen zusehen.
    »Also das Schlimmste und deshalb das Allerbeste ist, wenn du zu dem anderen sagst, dass seine Familie ein Haufen nichtswürdiger Trottel ist: Mortaccci tuoi!«
    Rosa wiederholte: »Mohrtatschi tuoih!«
    Giacomo klatschte in die Hände, was durch die Zügel, die er hielt, merkwürdig gedämpft klang. »Brava! Gutes Mädchen. Jetzt lernen wir einen Fluch für viele Gelegenheiten: Porca miseria!«
    Das war zum Glück einfach. Rosa wiederholte es noch einmal, dann wurde ihr klar, was sie da eigentlich tat. Sie fluchte! Würde sie auch in den Bach springen, der sich unterhalb des Pfades hinzog, wenn Giacomo das vorschlüge?
    »Und was bedeutet das?«, fragte sie.
    Giacomo grinste. »So etwas wie ›schmutziges Schwein‹. Und jetzt etwas sehr Schlimmes, das sagst du nur, wenn etwas ganz Schreckliches passiert: Porca Madonna, cazzo, che palle, puttana vecchia.«
    Rosa, die schon gelernt hatte, dass Madonna die heilige Maria war, schüttelte den Kopf. »Das ist Gotteslästerung!«
    Giacomo zuckte mit den Schultern. »Unsinn, das benutzt man doch nur, um dem anderen klarzumachen, dass er es nicht mit einem Trottel zu hat.«
    »Ich glaube nicht, dass meine Mutter das gutheißen würde.«
    Giacomo drehte und wendete seinen Hals, spähte über seinen Rücken, ohne auch nur für einen Moment das Gleichgewicht zu verlieren. »Und wo ist diese deine Mamma jetzt?«
    »In Nürnberg.« Rosa unterdrückte ein Lächeln. »Aber darum geht es doch nicht. Man muss auch dann anständig sein, wenn man nicht dafür bestraft wird. So etwas nennt man Moral.«
    »Also ich nenne das Dummheit!«, mischte sich Baldessarini ein, dessen Näherkommen Rosa gar nicht bemerkt hatte.
    »Dummheit!«, wiederholte Baldessarini.
    Rosa merkte, wie ihr das Blut in den Kopf schoss. »Als weit gereister Mann habt Ihr eine

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