Die Hexengabe: Roman (German Edition)
gewöhnten sich schnell an die Dunkelheit. Hoffentlich war niemand verletzt worden!
Doch bevor sie mehr als drei Schritte gehen konnte, hörte sie schon Männer schreien, dann das Aufeinanderklirren von Degen und Pistolenschüsse.
Sie erstarrte.
Was jetzt? Weglaufen, ganz klar weglaufen! Aber was war mit all ihren Sachen? Lauf weg, lauf endlich weg, Rosa!, tönte es in ihrem Kopf. Du musst es nach Indien schaffen, los, hau endlich ab!
Aber wohin sie auch schaute, es gab kaum Bäume, die Schutz geboten hätten. Nichts als nackter Felsen um sie herum. Wohin also?
Rosa, los jetzt, sieh zu, dass du Land gewinnst!, mahnte erneut ihre innere Stimme.
Sie warf ihren Umhang über und stürmte davon. Rannte den Weg zurück, den Berg hinauf, nach oben, von wo sie gekommen waren, denn die andere Richtung war von den Kämpfenden blockiert.
Sie lief, so schnell sie konnte, und weil sie sich auf den Boden konzentrierte, um nicht zu stürzen, sah sie ihn zu spät. Eine riesige, schwarze Gestalt. Sie bremste ab, als sie erkannte, dass es ein großer Mann mit einem zotteligen Bart war, drehte sich keuchend um, zurück zu den anderen, aber auch dieser Weg war jetzt versperrt. Beide Männer kamen näher.
Rosa sah sich um, rechts neben ihr war die nackte Felswand, und links lauerte der Abgrund. Nein, sie würde nicht springen, sie würde kämpfen. Sie zwang sich, langsamer zu atmen.
»Ola!«, sagte der Räuber, der von unten kam, und schwang dabei ein langläufiges Gewehr, als wäre es eine Keule, mit der er Rosa gleich den Schädel einschlagen würde.
»Schau an, schau an, was für ein Täubchen ist uns denn da zugeflattert!«, brüllte der Bärtige am oberen Weg.
»Na, mit der werden wir noch viel Freude haben, bevor wir sie über die Klippe springen lassen.«
Nein, dachte Rosa verzweifelt, nein, das werdet ihr nicht. Ich werde ihnen sagen, dass ich eine Hexe bin, die sie verfluchen wird, fuhr es ihr durch den Kopf. Sie begann, mit zitternden Fingern den Handschuh der linken Hand abzustreifen, doch bevor sie es geschafft hatte, packte sie einer an den Haaren und riss sie zu sich hin. Er roch nach Mist und Tabak und altem Schweiß. Rosa weigerte sich nachzugeben, aber der Schmerz in ihren Haarwurzeln breitete sich über den ganzen Kopf aus, brannte entsetzlich.
»Ich zuerst!«, geiferte der, der von unten gekommen war.
»Kommt nicht infrage, für mich nur erste Ware.« Der obere Kerl stieß den anderen mit seinem Gewehr weg.
Ja, dachte Rosa, ja, schlagt euch! Sie würde jeden unaufmerksamen Moment nutzen. Ihr Herz raste, ihre Füße wollten nichts als weglaufen.
»Schon gut, Kalle, schon gut. Ich lasse dir den Vortritt.«
Der von unten gekommen war, trat ihr so fest in den Hintern, dass sie nach vorne aufs Gesicht gefallen wäre, wenn der andere sie nicht aufgefangen hätte.
»Schau mal, sie ist ganz wild auf mich!«, brüllte der Bärtige, lachte und presste seine Arme wie ein Schraubstock um sie. Rosas Rippen wurden zusammengequetscht, sie konnte nicht mehr atmen. Die Knöpfe seiner Joppe und die Gürtelschnalle bohrten sich durch das Leinen ihrer Kleider. Sein Atem stank, als käme er aus dem Hintern einer Kuh.
Diesem elenden Drecksack würde sie sich nicht ergeben.
»Nehmt euch in Acht …«, begann sie, doch da biss der Mann in ihre Brust. Fest wie ein Tier. Der Schmerz raste von der Brust durch ihren ganzen Körper, sie heulte auf, wand sich, trat und spuckte, Tränen liefen ihr über die Wangen.
»Wer hat dir erlaubt zu reden?« Der Mann keuchte vor lauter Anstrengung, sie festzuhalten. »Halt’s Maul, und mach die Beine breit!«
Er warf sie auf den Boden und sich gleich auf sie drauf. Etwas entsetzlich Spitzes bohrte sich in ihren Rücken, dann, als er auf ihr aufprallte, hörte sie ein Knacken. Ihr Herz raste, und sie konnte nur an eines denken, wie sie ihn von sich runterbringen und dann töten würde. Hass brandete durch ihren Körper und verdrängte den Schmerz.
Hass. Hass. Hass.
Doch der Kerl lag wie eine Grabplatte aus Stein auf ihr.
Der andere Mann grölte. »Hey, lass noch was von der Kleinen für mich übrig!«
Der Mann auf ihr hielt sie an der Kehle fest, während er sich an seinen Beinkleidern zu schaffen machte.
Rosa drehte und wendete sich, zappelte und versuchte, trotz seines Würgegriffs zu schreien, was den Mann dazu brachte, ihr eine harte Ohrfeige zu geben. Sie schnappte nach Luft, und ihr wurde schlecht. Sie würgte.
»Spei mich ja nicht voll!« Der Mann schlug ihr noch einmal ins
Weitere Kostenlose Bücher