Die Hexengabe: Roman (German Edition)
Gesicht.
»Ich verfluche dich!«, stammelte sie. »Ich verfluche dich und deine Nachkommen, ich verfluche dich …« Sie versuchte, ihre jetzt nackte linke Hand vor seine Augen zu bringen, aber der andere Mann, der immer noch danebenstand, trat ihr so kräftig auf den Arm, als würde er ihn auf der Erde zermalmen wollen.
Ihr wurde fast schwarz vor Augen. Sie spürte etwas widerlich Schleimiges an ihrem Innenschenkel, was den Mann zu ärgern schien, denn er ruckte ihr sein Knie zwischen die Schenkel, als wären sie noch nicht weit genug offen, dann atmete er schneller.
»Wir sollten dieser Hexe den Schädel lieber gleich einschlagen, so wie’s vereinbart war«, keuchte er.
»Aber ich hab sie gern lebend, ich mag’s, wenn sie schreien«, sagte er andere. »Jetzt beeil dich, Mann, wir haben nicht den ganzen Tag Zeit!«
Rosa bekam keine Luft mehr. Etwas spießte sie auf, glühendes Eisen schob sich geradewegs in sie hinein, schnitt sie in zwei Teile. Unsäglicher Schmerz erfüllte sie, höllischer Schmerz.
In diesem Augenblick brach der Mann über ihr zusammen, verdrehte die Augen und wurde weggezerrt. Der andere, der neben ihr gestanden hatte, war verschwunden.
Giacomo beugte sich über sie. »Diese Dreckskerle.« Rosa war sich nicht sicher, was Traum und was Wirklichkeit war.
Giacomo versuchte, ihren Kopf auf seinen Arm zu betten, aber als Rosa entsetzlich stöhnte, ließ er es sein.
»Wir haben sie fast alle erledigt. Bleib ganz ruhig liegen! Beweg dich nicht! Alles wird gut. Ich komme wieder – der eine ist mir entwischt.«
»Porca Madonna miseria«, flüsterte Rosa, die ihre Augen nicht mehr aufmachen konnte. Sie tastete nach seiner Jacke, um sich an ihm festzuhalten, erwischte einen der Knöpfe und umklammerte ihn. Giacomo festhalten, für immer festhalten.
»Das hast du gut gesagt!«
Sie glaubte, ein Lächeln in seiner Stimme zu hören. Er versuchte, sich aufzurichten und ihre Hand vom Knopf zu lösen. »Hab keine Angst.«
Da krachte ein Schuss aus nächster Nähe, und Giacomo brach über ihr zusammen, etwas Warmes floss über ihren Körper. Schritte näherten sich.
Rosa zuckte zusammen. Weg, nur weg. Aber sie hatte nicht einmal die Kraft, ihre Augen zu öffnen, und wusste nicht, ob sie noch die Kraft für einen weiteren Atemzug hatte.
»Die sind hin«, sagte eine fröhlich klingende Stimme, dann trat jemand Giacomo in die Seite. Ein neuer Schwall Blut ergoss sich über Rosa. Nicht atmen. Stell dich tot.
»Aber das Weib ist noch warm … So sind sie mir am liebsten. Still und fügsam. Los, hilf mir, den Kerl runterzuziehen!«
Keuchen, Gestank. Giacomo wurde etwas zur Seite gezerrt.
»Hör auf damit! Reiß ihr lieber das Medaillon ab, zum Beweis dafür, dass wir unseren Auftrag erledigt haben!« Die dünne Silberkette wurde ihr vom Hals gerissen. Eine gierige Hand umspannte ihren Hals.
»Sie ist wirklich noch warm.«
Rosa hielt die Luft an, jetzt nur keine Regung zeigen, dachte sie. Ich bin tot. Tot.
»Vergiss es! Unser Auftrag ist erledigt. Die Blonde und der bartlose Venezianer sind hin. Mit dem Moos kannst du dir in Bozen das ganze Hurenhaus kaufen. Sehen wir lieber zu, dass wir Land gewinnen.«
»Warum nicht, mich juckt’s schon den ganzen Tag.«
»Hör sofort auf!«
Gürtelschnallenklirren. Handgemenge.
»Sieh mal hier. Sieh dir das an, diese Hand. Das Weib ist eine Hexe.«
Ja, dachte Rosa, und diese Hexe wird sich an euch rächen! Und das Letzte, was sie spürte, war ein warmes, beruhigendes Glühen, das sich von ihrem sechsten Finger hin zu ihrem Herzen über ihren ganzen Körper ausbreitete.
13. Kapitel
R osa fühlte, wie die Sonne auf ihren schmerzenden Körper niederbrannte. Ihr war schwindelig und übel. Ein leises Geräusch ließ sie zusammenzucken.
Was war das?
Ein Picken?
Auf ihr lastete etwas, schwer wie ein Fass. Sehr schwer. Es dauerte einen Moment, bis der Schmerz in ihrem Leib sie daran erinnerte, was passiert war. Aber was war das auf ihrem Körper? Lag sie in einem Grab? Im Grab spürt man die Sonne nicht, beruhigte sie sich.
Picken.
Das Gewicht auf ihr roch metallisch und süßlich. Sie musste sich davon befreien, wollte sich aufsetzen, die Augen aufmachen. Sehen.
Picken. Flügelrauschen. Krächzen.
Sie wollte sehen, aber es war unmöglich. Ihr linkes Augenlid ließ sich nicht bewegen, das rechte rührte sich nicht, die Lider waren fest miteinander verklebt.
Picken.
Sie musste unbedingt wissen, was um sie herum passierte. Sie versuchte, ihren linken
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