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Die Hexengabe: Roman (German Edition)

Die Hexengabe: Roman (German Edition)

Titel: Die Hexengabe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Mannel
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hat.
    Wie viel Zeit war überhaupt vergangen, konnte sie es noch nach Indien und wieder zurück schaffen? Würden diese Schmerzen in ihren Beinen jemals wieder aufhören? Sie starrte in die knisternden Flammen und versuchte, sich zu beruhigen. Gebetsmühlenhaft murmelte sie immer und immer wieder vor sich hin: »Du lebst, und solange du lebst, gibt es Hoffnung, deine Aufgabe rechtzeitig zu erledigen.«
    Carlo hatte in der Zwischenzeit die Suppe fertig gekocht, verteilte sie auf drei Schalen und reichte Rosa eine davon. Dazu gab es merkwürdige Teiglappen.
    »Lavash«, erklärte Siranush, als sie Rosas erstaunten Blick bemerkte. »Armenisches Brot – tunke es in die Suppe.« Sie faltete ihre Hände, verneigte sich kurz vor der Schale und sagte: »Mit Gott.« Dann begannen sie alle, zu essen.
    Rosa staunte nicht schlecht, wie Siranush dabei schlürfte und schmatzte. Und bei Carlo tropfte Suppe aus dem Mundwinkel, der auch mit diesen trockenen Hautplatten überzogen war. Doch das schien niemand außer ihr zu bemerken. Rosa war so gierig, dass sie sich den Mund am heißen Eintopf verbrannte. Er schmeckte würzig, nach geräuchertem Speck und Zwiebeln und brannte im Mund, doch Rosa fand, es war das Köstlichste, was sie gegessen hatte, seit sie von zu Hause aufgebrochen war.
    Nach dem Essen rülpste Siranush zufrieden, rieb die Schüsseln mit Lavash aus, das sie dann auch noch verschlang.
    Während Carlo das Geschirr im Teich wusch, begann Siranush, ernst mit Rosa zu reden.
    »Also, meine Kleine, wie ich dir schon gesagt habe, wir sind fahrende Gesellen und brauchen jeden Kreuzer. Keinesfalls können wir es uns leisten, weitere Münder zu stopfen. Sei froh, dass du diesen Hexenfinger hast. Damit können wir eine großartige Vorstellung hinlegen, mir schwebt da schon etwas vor …«
    In Rosa zog sich alles zusammen. »Ich werde diesen Finger nicht herzeigen, niemals. Eher sterbe ich.«
    »Kindchen, damit aufzutreten ist immer noch besser, denn als Hure zu arbeiten.«
    Rosa schluckte. Als Hure! Sie dachte an ihre Mutter und die Männer, die sie geschändet hatten. Lieber sterben, als das für Geld zu tun.
    »Wie kommst du darauf, dass ich als Hure arbeiten würde!«, empörte sie sich.
    »Mit großen Worten kann man nicht Pilaf kochen, man braucht dazu Butter und Reis. Glaub mir, mein Täubchen, wenn du nichts zu fressen hast, ändert sich alles.«
    »Nie!«
    »Dann hältst du dich also für was Besseres? Du würdest also lieber verhungern, als zu arbeiten?«
    »Ich könnte mich als Magd verdingen.«
    »Da kannst du auch gleich als Hure arbeiten.« Siranush verzog belustigt die Mundwinkel. »So, wie du bald wieder aussehen wirst, besteigt dich jeder, ob du willst oder nicht. Und gleich der Erste wird dir ein Kind machen. Also?«
    Ein Kind! Daran hatte sie noch nicht einen Gedanken verschwendet. Was, wenn der Dreckskerl sie geschwängert hätte? Rosa wurde übel.
    Siranush sah, dass es sie würgte, und nickte verstehend. »Ein übler Gedanke, aber ich glaube, dein Körper war so zugerichtet, dass er nicht empfangen hat.«
    Sie tätschelte Rosas Hexenfinger. »Also?«
    »Ich will nicht angeglotzt werden, so wie Carlo!«
    »Dann sag mir, was du kannst. Womit kannst du Geld verdienen?«
    »Mit Spielkarten!«
    Über Siranushs Gesicht ging ein Leuchten. »Du kannst wahrsagen?«
    »Ich kann Karten herstellen, malen, in Kupfer stechen, drucken, alles …«
    »Unsinn. Das war in deinem früheren Leben, jetzt gehörst du mir, und wir leben auf der Straße.«
    Nein, dachte Rosa, nein, ich gehöre niemandem, nur mir selbst. Sie griff nach dem Brief ihres Vaters, den sie vor dem Baden unter der Plane versteckt hatte, und stopfte ihn in ihre Bluse zurück. Sie gehörte niemandem, aber sie brauchte Siranushs Hilfe, jedenfalls bis sie wieder ganz gesund war, und sie brauchte Geld.
    »Ich werde dir golddurchwebte Seidenkleider besorgen, die deinen Busen emporpressen, werde deine blonden Haare mit Perlen und Edelsteinen schmücken, und in deinem Schoß wird dein zartes Hexenhändchen liegen. Die Kerle werden sabbernd vor dir niederknien.«
    »Da hat sie recht.« Carlo kam amüsiert von irgendwo aus der Dunkelheit.
    »Du nicht, Carlo, du nicht.« Siranushs Schmuck klimperte wütend. »Das muss dir klar sein, sonst verlasse ich dich. Und denk daran, was du warst, als ich dich gefunden habe. Ein Nichts!« Das Letzte spuckte Siranush beinahe heraus. »Stell dir vor, du, als Prinzessin zurechtgemacht, sitzt neben Carlo, dem Monster, das wird die

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