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Die Hexengabe: Roman (German Edition)

Die Hexengabe: Roman (German Edition)

Titel: Die Hexengabe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Mannel
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erklärte Siranush ihren Plan. Zu ihrer großen Überraschung schien es für Siranush vollkommen normal zu sein, dass Rosas Finger über so eine Gabe verfügte. Denn sie verlangte nicht einmal eine Kostprobe ihres Könnens.
    »Nicht übel, nicht übel, aber das müssen wir noch ein bisschen ausarbeiten. Schlaf jetzt, wir werden morgen weiter darüber reden.« Siranush erhob sich und ging unter dem typischen Geklingel und Geklimper ihres Schmuckes zurück zum Karren.
    Rosa wusste, jetzt würde sie endlich schlafen können.

15. Kapitel
     
    N ie hätte ich geglaubt, dass es mich mit so viel Glück erfüllen würde, an die Haustür des Spielkartenmachers zu klopfen.
    Und es war nicht einmal meine Idee, sondern die meines Vaters. Nachdem ich ihm erzählt hatte, die Hexentochter der Zapfin sei bei einem Raubüberfall auf Baldessarinis Trupp getötet worden, war er der Meinung, man sollte der Mutter unverzüglich kondolieren. Er hatte seinen Sonntagsstaat angelegt und mich gezwungen, das Gleiche zu tun.
    »Aber so werden wir an einem gewöhnlichen Montag in der Stadt Aufsehen erregen. Es wird Gerüchte geben, das ist nicht gut.« Ich hatte den Vater angefleht, doch der wollte davon nichts hören. Das geböte der Anstand. Immerhin sei das Ganze meine Schuld.
    Natürlich konnte er nicht wissen, wie recht er damit hatte, trotzdem trat mir kalter Schweiß auf die Stirn, und ich verlangte von ihm, das sofort zurückzunehmen. Die Entscheidung des Rates, das Weiterführen der Werkstatt davon abhängig zu machen, ob die Hexentochter zum vereinbarten Termin den Enkel von Indien nach Hause bringen würde, hatte ich ja nicht allein gefällt. Glücklicherweise.
    Trotzdem, meinte er, es sei meine Pflicht gewesen, das zu verhindern. Man hätte der Witwe erlauben sollen weiterzumachen, wie den anderen auch.
    Und als ich meine Verwunderung über seine mir vollkommen unverständliche Aufregung zum Ausdruck brachte, blaffte er mich auch noch an und meinte, jeder in Nürnberg wisse schließlich, dass die Huttenbeck und ich einmal so gut wie verlobt gewesen seien. Man könnte mir also rachsüchtige Motive unterstellen, und das sei für einen Nürnberger Ratsherrn einfach nicht tragbar.
    Und allein deshalb standen wir hier und klopften an eine Tür, deren Schwelle ich niemals hatte übertreten wollen.
    Ein altes Weibsbild mit einer Schürze über dem braunen Rock und einem weißen Tuch um die Haare öffnete, musterte uns, verzog verächtlich ihre Mundwinkel und warf die Tür schweigend ins Schloss.
    Vater und ich sahen uns an. Unsere langen Gehröcke flatterten im viel zu kalten Oktoberwind wie Flügel, die sich auf den Heimweg machen wollten. Diese Art der Behandlung waren wir nicht gewohnt, und es genierte mich der Gedanke, dass jemand diese Unverschämtheit beobachtet haben könnte.
    Trotz der Kälte schäumte ein Blutschwall durch meine Adern, ich hämmerte gegen die Tür. »Wenn Ihr nicht augenblicklich öffnet, dann werden wir mit dem Büttel wiederkommen.«
    »Mäßige dich, Sohn! Wir sind hier, um in einem Trauerfall zu kondolieren.«
    Immerhin wurde die Tür jetzt wieder geöffnet, und diesmal stand sie vor uns, nacktschneckenbleich im Gesicht, die Hände vor der mageren Brust verschränkt wie eine Absperrung.
    »Was wollt Ihr hier? Ich habe nicht um Euren Besuch gebeten.«
    Der Vater neigte den Kopf und zog den Hut von seinem kahlen Schädel, als wäre die Schlampe eine Gräfin, und säuselte in bester Manier: »Der Anstand gebietet es uns.«
    »Anstand!«, keuchte sie und stützte sich mit einer Hand an der Fachwerkmauer ab. »Als hättet Ihr Anstand!«
    »Mäßigt Euch lieber – wir sind gekommen, um unser Beileid auszusprechen.«
    Hinter Ursula tauchte das Weibsbild mit der Schürze wieder auf. »Warum denn jetzt Euer Beileid?«, rief sie über die Schulter von Ursula. »Unser Meister ist doch schon so lange tot. Wollt Ihr uns verspotten?«
    Der Vater trat einen Schritt zurück und starrte mich an. Dann versetzte er mir einen leichten Schlag auf den Arm. »Was ist hier los?«, fragte er mich wütend. »Warum weiß die Frau nichts von Rosas Tod?«
    »Hat Baldessarini Euch denn nicht geschrieben?«, wandte ich mich an das Weib, damit der Vater nicht glaubte, ich wüsste mehr als die Zapfin.
    Die beiden Frauen tauschten einen Blick. Ursula räusperte sich, dann rang sie sich mit heiserer Stimme eine Frage ab:
    »Was … was hätt’ mir der Venezianer denn schreiben müssen?«
    »Dass die Rosa tot ist«, erklärte der Vater, und er

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