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Die Hexengabe: Roman (German Edition)

Die Hexengabe: Roman (German Edition)

Titel: Die Hexengabe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Mannel
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hätte sterben lassen. So behutsam hatte Siranush sich um Rosa gekümmert und sie versorgt, so ganz anders, als ihre Mutter das getan hätte. Doch jetzt darüber zu grübeln, warum ihre Mutter sie nicht wirklich lieben konnte, war vollkommen unsinnig. Rosa, ermahnte sie sich, du musst nach vorne blicken, dorthin, wo der Erbe deines Vaters lebt. Nach Indien. Und dazu brauchte sie Geld. Viel Geld. Vielleicht war es wirklich das Beste, wenn sie noch eine Weile mit den beiden herumziehen konnte.
    Der Karren bog in einen schmalen Pfad ein, der von der Straße wegführte. Er war noch holpriger als die Hauptstraße, und Rosa wurde stärker durchgeschüttelt.
    »Wir sind gleich da!«, rief Siranush zu ihr nach hinten.
    Der Weg war rechts und links von Apfelbäumen gesäumt, deren Äste sich unter der Last der vielen noch grünen Früchte der Erde zuneigten.
    Äpfel. Rosa dachte daran, wie köstlich es war, in reife, rotbackige Äpfel zu beißen, das frische und süße Fruchtfleisch zu zerkauen, erinnerte sich, wie es im ganzen Haus duftete, wenn Toni einen ihrer Apfelkuchen gebacken hatte, und irgendwie kamen ihr auch noch drei goldene Äpfel in den Sinn.
    Ihr Bauch fühlte sich so leer an wie die Apfelkiste im Hochsommer, der Speichel floss in ihrem Mund zusammen. Erstaunt stellte sie fest, dass sie Hunger hatte, dabei hatte sie gedacht, nach dem Anblick von Giacomos leeren Augenhöhlen nie wieder etwas essen zu können.
    Der Karren hielt an. Sie befanden sich an einem kleinen Teich, der mit weiß blühenden Blumen bedeckt war und von dem ihnen das Quaken Hunderter Frösche entgegenschallte. Es roch modrig und süß nach Fallobst.
    Carlo sprang ab und bereitete unter einem knorrigen alten Apfelbaum, der nur wenige holzige Früchte trug, ein Lager. Siranush schleppte eine Plane herbei und einen Kochtopf, Messer und Löffel sowie verschiedene Gemüse, die Rosa noch nie gesehen hatte.
    Rosa zog sich bis zum hinteren Ende des Karrens und schaffte es, ihre Beine über den Rand zu hieven. Das Stechen im Rücken war so unerträglich, dass sie in Schweiß ausbrach und ihr schwarz vor Augen wurde. Sie zwang sich, tief durchzuatmen. Dann rutschte sie immer weiter vor, bis ihre nackten Fußspitzen den weichen Grund berührten. Jetzt, dachte sie, bei drei stehe ich auf. Sie zählte bis drei und verlagerte ihr Gewicht auf die Füße.
    In den Innenschenkeln flammte brennender Schmerz auf, ihre Unterschenkel zitterten und gaben sofort nach. Rosa stürzte zu Boden, und weil der linke Arm noch bandagiert war, konnte sie sich nur rechts abstützen. Doch zu spät. Ihr Gesicht landete mit einem lauten Platschen in dem matschigen Gras. Sofort hob Rosa den Kopf, weil ihre Nasenlöcher von der weichen Erde verstopft wurden.
    Bravo, gratulierte sie sich. Ganz hervorragend.
    Schon wieder wollten Tränen aufsteigen, aber das kam nicht infrage. Sie biss sich auf die Zunge. Siranush hielt sie sowieso schon für eine Heulsuse.
    »Pis bebek! Was hast du gemacht?« Siranush hockte sich neben Rosa und half ihr, sich aufzusetzen. »Ich habe dir gesagt, wir helfen dir. Warum hast du nicht gewartet? Jetzt schau dich an, wie du aussiehst.«
    Carlos missgebildeter Kopf tauchte hinter dem von Siranush auf. Rosa versuchte, ihre Abscheu zu unterdrücken, aber es gelang ihr nicht, sie zuckte vor ihm zurück. »Tut mir leid«, flüsterte sie und wusste selbst nicht, ob sie ihren Gehversuch oder Carlos Gesicht meinte.
    »Sie sollte im Teich baden«, schlug Carlo vor, sah durch Rosa hindurch und wandte sich nur an Siranush.
    »Ein guter Vorschlag, und, Carlo, wo wir schon dabei sind, baden wir auch.«
    »Zuerst die Kleine, und wenn die beim Feuer trocknet, dann nehmen wir ein Bad.« Carlo gluckste dabei vergnügt vor sich hin.
    »Kannst du dich ausziehen?«, fragte Siranush.
    Rosas Wangen wurden heiß. Toni war der einzige Mensch, der sie, seit sie eine Frau geworden war, unbekleidet gesehen hatte, dann, wenn sie heißes Wasser für Rosas Bad brachte. Und selbst da hatte Rosa immer ein Tuch um den Leib geschlungen.
    »Ich brauche nicht zu baden.« Rosa fand sich selbst ziemlich kindisch. Ihre Kleider waren zerfetzt, an vielen Stellen schimmerte ihre Haut hindurch, und die war übersät mit getrockneten Blutflecken, Heilerde und jetzt auch noch mit Matsch. Ihr Haar war vollständig verfilzt und stank nach Erbrochenem.
    »Ich glaube, sie geniert sich, die Kleine«, rief Siranush zu Carlo hinüber, der noch ein paar Holzscheite auf das Feuer legte.
    »Dann gehen wir

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