Die Hexengraefin
ordentlich gefüllten Geldkatze aus mit Silberfäden besticktem, feinem Leder, ein Schreiben an die Äbtissin Madame Angélique des Anges mitgegeben, worin er jener Dame für ihre gütige Aufnahme der Flüchtlinge »aus dem Reich« dankte.
Ferner trug der Anführer ihrer kleinen Eskorte – ein österreichischer Baron und Obrist – Papiere bei sich, die ihn, einen Untertanen der Habsburger, als einen Freund Richelieus auswiesen.
Bei seinem letzten Aufenthalt in Straßburg hatte der Kardinal dem Bischof einige bereits unterschriebene Blankoformulare dagelassen. Das war unter hochgestellten Freunden so üblich und erleichterte erheblich das Reisen über Ländergrenzen hinweg.
Trotzdem fühlte sich die Gräfin aus der Ortenau äußerst unwohl, so relativ ungeschützt durch ein fremdes Land zu fahren; immerhin war Ludwig XIII. ein Feind des Kaisers.
Jeder uneingeplante Aufenthalt – wie ihn ein wiederholter Rad- und gar ein Achsenbruch auf den schlechten Straßen mit sich brachten – verursachte der Gräfin, die vorgab, die Witwe eines französischen Edelmannes und selbst Französin zu sein, heftige Magenbeschwerden. Die Landstraßen in Frankreich waren um keinen Deut besser als jene, die sie bisher gewohnt war.
Nach Regenfällen versank man im Morast, und bei Trockenheit konnte man der von den Pferdehufen aufgewirbelten Staubmassen wegen kaum atmen. Schien die Sonne, war es im Innern der Kutschen drückend heiß, sodass die Kleider am Körper klebten und einem der Schweiß in Strömen übers Gesicht lief, und wehte ein kräftiger Wind, pfiff dieser durch die Ritzen der meist älteren Karossen.
»Ich werde nie verstehen, dass es Menschen gibt, die gerne reisen, Madame«, hörte Adelaide ihre Zofe Anne Larousse klagen. »Ich finde es schrecklich, dass man dauernd damit rechnen muss, dass sich einer der Gäule ein Bein in den löchrigen Straßen bricht.«
Die Comtesse Adelaide de Bréteuil nickte, wobei sie sich im Stillen über ihre gute Ursula wunderte, weil ihre Zofe auf einmal ein ganz passables Französisch sprach. Um sich nicht versehentlich zu verraten, hatten die jungen Frauen beschlossen, sich ab sofort auch untereinander dieser Sprache zu bedienen; wobei der deutsche Akzent die Comtesse keineswegs beunruhigte – gab es doch überhaupt kein einheitliches Französisch. Notfalls würde sie behaupten, ursprünglich aus Lothringen oder dem Schweizer Jura zu stammen. »Das Herumgestoßenwerden in dieser Enge finde ich noch schlimmer. Ich bin voller blauer Flecke. Sobald wir im Kloster sind, werde ich die nächste Zeit in keines dieser Dinger mehr steigen. Wozu habe ich Reiten gelernt?«
Ihre Zofe verzog missmutig das Gesicht. »Aber Madame, da tut einem doch der A…« Sie unterbrach sich gerade noch rechtzeitig. »Ich meine, da schmerzt einen doch nach kurzer Zeit das Gesäß.«
»Das passiert nur, solange du im Reiten ungeübt bist, Anne. Erfahrene Amazonen spüren ihren Arsch nicht mehr. Das versichere ich dir, meine Liebe.«
Ganz erschrocken hatte die Zofe ihre Herrin angeblickt, aber als sie sah, dass dieser der Schalk sozusagen im Nacken saß, musste sie ebenfalls lachen. Beide jungen Frauen glucksten und kicherten, dass ihnen die Tränen kamen. Gar nicht mehr aufhören konnten sie mit Prusten und Gackern. Ach, tat das gut, endlich wieder einmal so richtig von Herzen lachen zu können!
Da beide Kutschenfenster offen standen, hörte der Kutscher auf dem Bock den fröhlichen Lärm der beiden mit großer Erleichterung. Endlich verhielten sich die zwei Mädchen ihrem Alter gemäß. Er hatte sie bisher noch keine Minute lächeln gesehen oder scherzen gehört und hatte das sehr schade gefunden.
›Schlimm genug, dass die eine, diese Demoiselle Hélène de Morrisson, so ein geistesabwesender Trauerkloß ist‹, dachte der Mann auf dem Kutschbock. ›Wer weiß, was ihr zugestoßen sein mag?‹
Und im Bewusstsein seiner eigenen Gesundheit und Jugend – er war noch keine dreißig – begann er vor sich hin zu pfeifen.
Im Innern des Wagens hatten sich Adelaide und ihre Dienerin Anne inzwischen einigermaßen beruhigt. Beide wussten, dass dieser völlig unmotivierte Ausbruch an Heiterkeit sich nur aus der Anspannung ihrer Nerven erklären ließ.
»Wenn das Helen uns hören könnte«, meinte Anne, »würde sie denken, dass wir verrückt geworden sind.«
»Und meine undamenhafte Ausdrucksweise würde sie sehr verwundern.«
Die jungen Mädchen mussten daraufhin erneut so lachen, dass beide am Ende
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