Die Hexengraefin
Silbermine, die Ihr unbedingt haben wolltet. Soviel ich weiß, ist sie bereits vollkommen ausgebeutet. Aber wer weiß, vielleicht findet man doch noch etwas, das sich abzubauen lohnt. Ich brauche die Grube nicht mehr.«
»Gut, Jakob. Ich lasse meinen Vogt rufen, um den geplanten Tausch der Grundstücke festzulegen – so wie wir es vor einiger Zeit besprochen hatten.«
Der Graf ließ sich seine Verblüffung keinesfalls anmerken.
» Ihr habt davon gesprochen, Herr, nicht ich«, berichtigte seelenruhig Helenes Vater. »Aber Ihr habt mich missverstanden, Graf: Ich will keinen Tausch. Ich schenke Euch die Mine.«
Er sagte das vollkommen gefasst, und der Edelmann war perplex. Was verbarg sich hinter dieser Großzügigkeit? Hatte er doch noch mit einer Attacke des verbitterten Vaters zu rechnen? Wie viel wusste Jakob Hagenbusch?
»Warum auf einmal?«, erkundigte er sich und kniff erneut die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen. »Was hast du vor, Schultheiß?«
»Ich bin nimmer der Heimburger; das ist jetzt ein anderer. Einer, der schon lange darauf spekuliert hat. Mir ist es egal. Ich habe genug mit dem Hof und meinen Weinbergen zu tun. Aber das bloß nebenbei. Was ich will, Herr?«
Der Hagenbusch strich die grauen Haare aus seinem Gesicht, holte tief Atem, um dann hervorzustoßen: »Irgendeinen Sinn muss das Leiden meines Helen doch gehabt haben. Nicht bloß den, dass der Scheible seinen Spaß mit ihr gehabt hat und die anderen Schweine, die es genossen haben, die Schönheit meiner Tochter in den Dreck zu stampfen und ihre säuischen Begierden an ihr abzureagieren.
Darum sollt Ihr diese Mine haben, Herr. Ich wünsche mir wirklich, dass sie Euch wenigstens etwas Glück bringt – ich habe nur Kummer und Elend davon gehabt. Und außerdem soll sie meinen Dank an Euch ausdrücken, dass Ihr mein Kind vor dem Scheiterhaufen bewahrt habt. Denkt Euch nur, Herr, der Henker hatte meinem Weib und mir bereits die für die Verbrennung notwendigen dreißig Klafter Holz in Rechnung gestellt. Von den Kosten für den wochenlangen Aufenthalt im Hänsele-Turm gar nicht zu reden. Für Kost und Logis habe ich bezahlt, aber den Scheiterhaufen bin ich schuldig geblieben. Den wird der Scheible sich von den Angehörigen der nächsten Hex bezahlen lassen müssen.«
»Hagenbusch, ich verrate dir jetzt auch etwas«, rief daraufhin der Graf: »Der Scheible wird meinem Gefühl nach nimmer recht alt werden. Und für den Obersten Richter Munzinger seh ich auch schwarz. Ich werde das Gefühl nicht los, dass deren abgrundtief böse Herzen in Kürze einfach zum Schlagen aufhören werden. So wahr ich Ferfried von Ruhfeld heiße.«
Spontan streckte der Freibauer dem Grafen seine schwielige Hand hin. Der ergriff sie ohne Weiteres, drückte sie mannhaft fest und meinte erleichtert: »Hand drauf. So sei es. Sind wir noch Freunde, Jakob?«
»Wir sind wieder Freunde, Herr Graf.«
Ferfried hatte sehr wohl den feinen Unterschied in der Antwort verstanden, aber er schwieg dazu und war froh, so billig aus der bösen Geschichte herausgekommen zu sein …
Längst hatte er sich mit seinem Sohn eine Strategie zurechtgelegt, wie am besten dem Henker beizukommen sei, ohne die Kaiserlichen gegen die Familie aufzubringen.
Natürlich machte der Mann nur seine Arbeit. Aber andere Henker taten das auch, und nicht alle fanden solchen Gefallen daran, ihre hilflosen Opfer zu erniedrigen und zu missbrauchen.
Der Scheible hingegen, und seine Knechte Fridolin und Morhart, das waren abartig gemeine Unmenschen – und sie sollten ihrer gerechten Strafe nicht entgehen.
Raimund, der Leibdiener des Grafen, musste Wein bringen, und zwar vom besten aus dem gräflichen Keller, um die neu geschlossene Freundschaft der beiden so ungleichen Männer zu besiegeln.
Auch Graf Ferfried war ein unglücklicher Vater. Wann würde seine geliebte Tochter Adelheid zurückkehren? Er hatte schon einige Zeit nichts mehr von ihr gehört. Wie mochte es ihr am Hof des Kaiserbruders ergehen? War sie womöglich bereits einer Intrige zum Opfer gefallen?
Irgendwie hatte auch der adelige Herr seine einzige Tochter verloren …
KAPITEL 53
NACHDEM SICH DER JÜDISCHE ARZT von der kleinen Gruppe an einer Wegkreuzung vor der Stadt Troyes verabschiedet hatte, kam sich Adelaide trotz der vier Berittenen völlig verlassen vor.
Sie würde erst aufatmen können, sobald sie das Nonnenkloster Sainte Cathérine im burgundischen Auxerre erreicht haben würde.
Bischof Leopold hatte ihr, neben einer
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