Die Hexengraefin
Chevalier«, murmelte Adelaide und bemühte sich dabei um eine huldvolle Miene. »An einem großen Wirbel ist mir nicht gelegen. Ich wünsche nur eines, bald zum Kloster Sainte Cathérine bei Auxerre zu gelangen, um dort zusammen mit meiner kranken Schwester, Demoiselle Hélène de Morrisson, und meiner treuen Dienerin in Frieden gelassen zu werden. Ich glaube allerdings, dass es angebracht wäre, meiner Zofe, Demoiselle Anne Larousse, für den ausgestandenen Schrecken eine angemessene Entschädigung zu zahlen. Immerhin wäre sie beinahe ihrer kostbaren Jungfräulichkeit verlustig gegangen.«
Der Chevalier sagte dies sofort zu. Wahrscheinlich war er froh, dass diese verfluchte Gräfin, die immerhin unter dem Schutz von vier berittenen Herren des Bischofs von Straßburg sowie mit einem Geleitbrief des gefürchteten Kanzlers Richelieu reiste, ihn nicht in aller Öffentlichkeit bloßstellte.
Denn falls es sich das Weibsstück einfallen ließe, sich bei König Ludwig XIII. über ihn zu beschweren, geriete er in eine fatale Lage. Der über die Maßen prüde Monarch würde ihn nicht nur degradieren, sondern höchstwahrscheinlich in die Bastille stecken, jenes in ganz Frankreich berüchtigte Pariser Gefängnis.
Rasch nannte er daher eine Summe, die ihm ausreichend erschien, das jungfräuliche Gemüt der gräflichen Dienstmagd zu beruhigen, und Adelaide geruhte, diese gnädig anzunehmen.
Auch dem Gastwirt des Lion d’Or, dem, jetzt bei Tageslicht, alles recht peinlich erschien, ließ er einige Goldstücke zurück, um ihn die Schmach, die man seinem Hause angetan habe, leichter verschmerzen zu lassen.
Mit tiefen Bücklingen nahm der das Geld entgegen und entschuldigte sich nochmals für den Schlag mit dem Stock: Er hätte im Halbdunkel doch nicht sehen können, dass …
Wer aber war der so unverhofft aufgetauchte Retter in der Not gewesen? Die Comtesse Adelaide gestand sich ein, dass sie den groß gewachsenen, breitschultrigen, jungen Herrn mit den schwarzen Augen und dem kecken, dunklen Bärtchen sehr, sehr angenehm gefunden hatte.
Wie er da vorige Nacht geschmeidig wie ein Panther in ihr Gemach gestürmt war und lässig dem anderen die Spitze seines Degens genau auf die Halsschlagader gesetzt hatte, da war ihr auf einmal sehr warm ums Herz geworden.
Ja, es war ein gutes Gefühl, wenn man als junge Dame erlebte, wie sich ein schmucker Kavalier für einen ins Zeug legte. Auch bei hellem Sonnenschein besehen, gefiel der Comtesse der schneidige Verteidiger ihrer Tugend ausnehmend gut.
»Erlaubt, Madame, dass ich mich Euch vorstelle: Comte Bernard de Grandbois, Herr auf Château Beauregard«, hatte er sich bekannt gemacht und auf ihr Nachfragen hinzugefügt, dass sein Besitz gute zwei Tagesreisen südlich von Auxerre gelegen sei, mitten in ausgedehnten Weinbergen und Wäldern.
Adelaide sah keine Ursache, ihm das Ziel ihrer Reise zu verschweigen, nur den Grund behielt sie lieber für sich. Sie murmelte etwas vom Besuch einer lieben Verwandten, die sich vor einigen Jahren in dieses Kloster begeben habe.
»Oh, das trifft sich gut, Madame«, hatte daraufhin der charmante Franzose gesagt. »Meine jüngere Schwester ist Nonne in diesem Kloster, und ich hatte mir schon lange vorgenommen, sie einmal zu besuchen. Nun, da ich weiß, dass Ihr, Madame, ebenfalls dort weilt, werde ich sehr bald dort erscheinen und mich persönlich – wenn Ihr erlaubt – nach Eurem Befinden erkundigen.«
»Das wäre sehr liebenswürdig, Monsieur le Comte«, hatte Adelaide erfreut geantwortet, und ihr Herz hatte doch tatsächlich einen kleinen Sprung gemacht.
Nach dem Frühstück machte sich die Kutsche samt ihrer kleinen Eskorte wieder auf den Weg. Monsieur de Grandbois hatte es sehr bedauert, ihr nicht das Geleit zur Abtei Sainte Cathérine geben zu können, da er dringender Geschäfte wegen leider in die andere Richtung hatte reiten müssen. Auch die Comtesse hatte das äußerst schade gefunden …
»Wenn wirklich nichts mehr dazwischenkommt an Unvorhergesehenem, könnten wir es möglicherweise schaffen, heute am späten Abend im Kloster einzutreffen«, versprach der Kutscher vorsichtig.
Nach einer kurzen Nacht würde er sich mit der berittenen Eskorte schnell wieder auf den Rückweg machen nach Straßburg. Sein Herr, der Bischof, mochte ja ein intimer Freund Richelieus sein, aber dennoch könnte er sich erst wieder völlig sicher fühlen, wenn er die Mauern von Straßburg vor sich sah.
Die Bevölkerung Frankreichs hegte keinerlei
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