Die Hexengraefin
Geschwächten, und sie verteilte Medizin und Heilkräutertee, war sich aber auch nicht zu schade, den Boden zu säubern oder die Betten frisch zu beziehen.
Schwester Leontine war eine geschickte Ärztin und führte auch kleinere Operationen durch, wozu sich Adelaide freiwillig als Assistentin meldete. Dank der heilkundigen Franziskanerin lernte sie vieles dazu, vor allem was ihre Kenntnisse der Heilpflanzen und deren Wirkungsweise sowie das Ausführen kleinerer Eingriffe anbetraf.
»Wenn Ihr wollt, werde ich mit Euch im Frühjahr zum Kräutersammeln gehen, Madame«, bot sie der Comtesse an, die sie anfangs mit großer Skepsis betrachtet hatte. Adelaide freute sich schon darauf.
Das war etwas, das sie wirklich interessierte – im Gegensatz zu den Lesungen aus dem Evangelium während der Mahlzeiten und den ewigen Andachten, Gebeten und dem Chorsingen. Obwohl sie fand, dass das Beten und Singen wenigstens dafür sorgte, dass die frommen Damen sich nicht gegenseitig an die Kehle gingen.
Sogar Anne hatte schon diesbezügliche Beobachtungen gemacht: »Wer glaubt, dass in einem Kloster eitel Friede herrscht, der täuscht sich aber gewaltig. Die Schwestern gehen oft aufeinander los, dass man denken könnte, sie sprängen sich gleich an die Gurgel. Wenn sie sich mit bösen Worten auch zurückhalten, sprechen ihre hasserfüllten Augen Bände. Von der christlichen Nächstenliebe halten manche anscheinend nicht viel.«
Kurz vor dem Weihnachtsfest lag die Äbtissin darnieder. Nicht einmal der Besuch des uralten, beinahe tauben Beichtvaters der Nonnen, Pater Albert – den sie so gerne gegen Abbé Simon Canfort ausgetauscht hätte – vermochte ihr die Kraft zu geben, sich wenigstens zu den Mahlzeiten zu erheben.
Auch Schwester Leontine konnte nichts ausrichten, und Adelaide machte sich ernsthaft Sorgen. Vorsichtig hörte sie sich um, und was sie zu hören bekam, war geeignet, sie zutiefst zu erschrecken.
Die Nonnen erzählten sich nämlich hinter vorgehaltener Hand, dass Abbé Canfort der Äbtissin jede Nacht in der Gestalt eines schönen, verführerischen Teufels erscheine. Diese Heimsuchungen erfolgten angeblich bereits seit einiger Zeit.
»Er erzählt ihr dabei, dass er sie über alles liebe«, berichteten die frommen Frauen mit zittrigen Stimmen. »Und er überschüttet sie geradezu mit beleidigenden Komplimenten und unkeuschen Zärtlichkeiten. Er bedrängt die Ehrwürdige Mutter, ihm zu gestatten, was einer Braut des himmlischen Bräutigams auf keinen Fall erlaubt ist.«
Im Kloster summte es wie in einem aufgeregten Bienenstock; Adelaide aber war sicher, dass sich die Oberin alles nur einbildete.
»Madame Angélique ist von Hysterie erfüllt, weil sie unbefriedigt ist. Dieses Phänomen kannten bereits die Ärzte der Antike. Ihre überreizte Phantasie, die sich andauernd mit solchen Dingen beschäftigt, gaukelt ihr diese Ereignisse vor, ohne dass diese der Wirklichkeit entsprechen. Ich müsste mich sehr täuschen, wenn in Kürze nicht das gesamte Kloster von dieser Exaltiertheit erfasst wäre«, vermutete Adelaide mit banger Miene.
Und in der Tat: Bald hieß es, Canfort komme nicht allein, eine ganze Schar verführerischer Buhlteufel bringe er mit, welche die übrigen Nonnen behelligten.
Immer stärker wurde die überspannte Erregung, welche sich der Klosterinsassinnen bemächtigte. Und alle fühlten sich ähnlichen Versuchungen ausgeliefert wie ihre arme Äbtissin.
Madame Angélique des Anges wand sich mittlerweile in beängstigenden Krämpfen auf ihrem Lager. Sie riss sich ihr Nachtgewand vom Leib, erging sich in gemeinen Redensarten und lockte den Verführer – den allerdings außer ihr niemand zu sehen vermochte – mit eindeutigen Gesten zu sich.
Die ihr anvertrauten Nonnen taten es ihr umgehend gleich, und Adelaide und Anne glaubten in Kürze, sich nicht in einem Kloster, sondern in einem Heim für Geisteskranke zu befinden.
Vor allem ihre völlige Hilflosigkeit den merkwürdigen Vorgängen gegenüber machte die beiden ängstlich und wütend zugleich.
Pater Albert, in Ehren ergrauter Angehöriger des Franziskanerordens und verantwortlich für das Seelenheil der Nonnen, erging es ähnlich. Die meiste Zeit, während die Schwestern sich wie Irre aufführten, lag der alte Mann in der Klosterkapelle auf den Knien und betete inbrünstig zum HERRN, er möge diesen Spuk doch bitte bald beenden.
Mit Angst und Schrecken verfolgten er und die Comtesse Adelaide de Bréteuil die schrillen Lustschreie der von den
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