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Die Hexengraefin

Titel: Die Hexengraefin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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Opfer und beileibe nicht nur die Armen.
    Es gab wohl keine Adelsfamilie, in welcher nicht mindestens ein Kind davon betroffen war. Wer die höchst ansteckende Krankheit mit hoher Ansteckungsgefahr überlebte, war in der Regel sein Leben lang von den Narben gezeichnet, die sich kraterähnlich in die Gesichtshaut gegraben hatten.
    »Der beste Schutz dagegen ist absolute Reinlichkeit«, ermahnte die Comtesse ihre beiden Helferinnen. »Wer nicht angesteckt werden will, muss sich peinlich sauber halten. Denkt daran: Nach jedem Kontakt mit den Kranken unbedingt die Hände waschen.«
    Dass sie für diese »Marotte« von den meisten belächelt wurde, störte Adelaide nicht. Das hatte sie schon zu Hause auf Ruhfeld oder bei den Bauern erlebt, denen sie gelegentlich geholfen hatte. Jetzt, bei den Pockenfällen, war ihr etwas Neues eingefallen. Weshalb sollte es nicht gut sein, sich mit einem Mundschutz gegen diese Seuche zur Wehr zu setzen? Was den Pestärzten mit ihren Gesichtsmasken recht war, musste ihnen doch billig sein.
    Ab sofort verordnete sie also Anne und Demoiselle Hélène eine Binde, die über Nase und Mund reichte und die giftigen Krankheitserreger abhalten sollte. Sie selbst ging mit gutem Beispiel voran.
    Schwester Leontine und die anderen Nonnen amüsierten sich darüber, aber als die Comtesse ihnen erklärte, dass es leicht passieren könne, dass einem ein Erkrankter ins Gesicht hustete und damit seine Speicheltröpfchen in den Mund der Pflegerin gelangen konnten, leuchtete ihnen das ein.
    »Selbst wenn er nicht vor den Pocken schützen sollte, appetitlicher ist so ein Mundschutz allemal«, fand die Leiterin der Krankenstation, und binnen Kurzem liefen alle Nonnen, solange sie mit den Kranken im Siechenhaus zu tun hatten, mit Tüchern vor dem Gesicht herum, welche gerade mal die Augen freiließen.
    Sogar die Ehrwürdige Mutter lobte den Einfall der Comtesse. Seit längerer Zeit plauderte sie während des Mittagsmahles wieder einmal liebenswürdig mit ihren Gästen. Sogar Hélène bezog sie dieses Mal in ihre Unterhaltung mit ein.
    »Wie geht es Euch heute, Mademoiselle de Morrisson?«, richtete die Äbtissin scheinheilig das Wort an die junge Frau. »Es ist Anfang Mai, und der Frühling wird Euch guttun. Die wärmenden Sonnenstrahlen werden für Eure Gesundheit weitere Wunder bewirken.«
    ›Oh ja!‹, dachte Hélène bitter, ›und ganz besonders wird der mir von Euch zugedachte Malefizprozess zu meiner Genesung beitragen.‹ Aber sie schwieg und lächelte die Ehrwürdige Mutter nur arglos an.
    Als sich Madame Adelaide, die Zofe und Hélène nach dem Essen in ihre Zelle zurückgezogen hatten, platzte Letztere mit der Bemerkung heraus: »Was sollen wir von der Äbtissin halten? Ihre Freundlichkeit bei Tisch kam mir reichlich aufgesetzt vor. Ob sie etwas ahnt?«
    »Das denke ich nicht«, wehrte Adelaide ab. »Wieso kommst du bloß darauf?«
    »Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass Schwester Madeleine ein falsches Spiel mit uns treibt«, protestierte umgehend die Zofe Anne. »Was hätte die kleine Nonne davon?«
    »Gerade darüber zerbreche ich mir ja den Kopf«, sagte Hélène. »Seid mir nicht böse, aber ich bin nun einmal misstrauisch.«
    Die beiden anderen sahen etwas betreten drein. Schließlich meinte die Comtesse: »Dein Misstrauen, liebe Schwester, in allen Ehren. Aber wenn wir aus diesen frommen Mauern entkommen wollen, können wir uns allzu große Skrupel einfach nicht leisten. Du weißt sehr gut, dass man uns keinen Schritt aus dem Kloster machen lässt – nicht einmal, um allein die Kathedrale in der Stadt aufzusuchen.«
    »Ich weiß«, nickte die Angesprochene betrübt. »Wahrscheinlich sehe ich Gespenster, denn bisher war die kleine Marie-Madeleine immer hilfsbereit und freundlich zu uns.«
    »Ich finde, es ist langsam an der Zeit, dass uns endlich einmal jemand aus unseren Nöten hilft!«, rief Anne temperamentvoll aus.
    »Das ist sehr undankbar«, protestierte sofort ihre Herrin. »Wenn ihr euch überlegt, wer uns bis jetzt geholfen hat – angefangen von der Entführung des Helen aus der Gewalt des Gerichtes, über den Bischof von Straßburg, bis zu jenem liebenswürdigen Herrn, der in diesem unseligen Gasthof unsere Ehre verteidigt hat -, dann finde ich, haben wir uns nicht zu beklagen. Sogar dieser Madame des Anges sind wir zu Dank verpflichtet. Sie hat uns immerhin aufgenommen und sich niemals allzu laut beklagt – obwohl wir nicht gerade Muster an Frömmigkeit gewesen sind.«
    »Das

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