Die Hexengraefin
Namen des überraschenden Gastes genannt, Madame la Comtesse. Es handelt sich um den Chevalier Louis de Grenelles, Herr auf Chastenay, und um seine Gemahlin Marie-Françoise, welche sich die Ehre ihres Besuches in unserer bescheidenen Abtei geben.«
»Ach. Der Chevalier de Grenelles. Sieh an.«
Adelaide stieg das Blut zu Kopf. Dieser elende Schuft. Aber hier im Kloster Sainte Cathérine würde er es wohl nicht wagen, eine der Damen seinen brünstigen Trieben zu unterwerfen, wie er es seinerzeit im Gasthof Lion d’Or versucht hatte.
»Kennt Ihr den edlen Herrn etwa?«, fragte die Nonne neugierig.
»Nein, nein, natürlich nicht, Madame. Nur sein Name kommt mir irgendwie bekannt vor.«
»Ja, der Chevalier ist in der Gegend sehr bekannt und …«
Hier musste die ein wenig geschwätzige Schwester innehalten, denn die beiden Damen waren am Gästehaus angekommen, vor dessen Eingang eine elegante Kutsche stand. Ein Diener, in dem die Gräfin unschwer jenen Pierre Augustin erkannte, welcher sich seinerzeit auf Anne gestürzt hatte, hielt ein Schwätzchen mit dem Kutscher.
Während Adelaide noch blitzschnell überlegte, inwieweit dieser ungebetene Besuch ihren eigenen Plänen für den heutigen Tag im Wege stand, kam schon die Äbtissin freudig erregt auf sie zu.
»Stellt Euch vor, Madame la Comtesse: Monsieur de Grenelles und seine Gattin sind seit Langem gute Freunde des Klosters und eifrige Spender. Kürzlich erst hat der Chevalier die linke Seitenkapelle in unserer kleinen Kirche ausbauen lassen, und erst neulich hat seine Gemahlin ein marmornes Grabdenkmal für sie beide in Auftrag gegeben. Man denke: Noch so jung und schon fromme Gedanken ans Jenseits.«
Schade, dass der Kerl nicht schon eher Gebrauch von seinem Marmorgrab gemacht hat, ehe er mir solche Angst einjagen konnte, ging es der Comtesse sehr »unfromm« durch den Sinn. Und verheiratet war das Schwein auch noch. Sie bedauerte seine Ehefrau aufrichtig.
»Kommt, ich werde Euch jetzt mit dem edlen Herrn und seiner gottesfürchtigen Gemahlin bekannt machen. Ihr gebt uns doch sicher die Ehre und speist mit mir und unseren Gästen, liebste Comtesse?«
Adelaide konnte schlecht ablehnen, obwohl sie innerlich vor Wut kochte. Wenn sie nicht im Refektorium erschien, was würde Anne denken? Hélène hielt sich vermutlich schon im Obstgarten auf …
Als hätte die Äbtissin ihre Gedanken erraten, versprach sie, Adelaides Zofe durch eine Schwester ausrichten zu lassen, dass ihre Herrin »anderweitigen angenehmeren« Verpflichtungen nachginge. Beinahe hätte die Gräfin laut aufgelacht.
KAPITEL 74
DER CHEVALIER SCHIEN DER COMTESSE DE BRÉTEUIL stark gealtert zu sein, außerdem hatte er mächtig zugenommen. Er erkannte sie nicht mehr. Auch bei der Nennung ihres Namens war er nicht zusammengezuckt – offenbar litt der Herr unter einem sehr schlechten Erinnerungsvermögen. Dem konnte Adelaide abhelfen. Sie überlegte, wie sie am besten ein paar vergiftete Pfeile abschießen könnte.
Seine Frau, trotz auffallend modischer Kleidung mit reichlicher Spitzenzier ein verhuschtes, graues Mäuslein, tat ihr zwar leid, aber sie konnte es sich nicht verkneifen, ihm ein lässiges: »Bonjour, Monsieur le Chevalier« hinzuwerfen, »Ihr erinnert Euch doch sicher noch an die unvergessliche Nacht im Gasthof Lion d’Or in Tonnerre, nicht wahr?«
Die Gräfin blickte ihr Gegenüber dabei lauernd an.
»Nein? Wartet, Monsieur, ich helfe Eurem Gedächtnis nach.«
Der beleibte Chevalier fasste Adelaide genauer ins Auge und nun schien es ihm zu dämmern. Schlagartig erbleichte er und ehe die Comtesse etwas ausplaudern konnte, begann er zu stottern. »Ich … ich w… weiß nichts von einem solchen Gasthaus, Madame; I… Ihr irrt Euch ganz gewiss.«
»Aber nein, Monsieur. Ich habe Euch sofort erkannt, und Euren Diener Pierre Augustin wird meine Zofe ebenfalls nie vergessen.«
»Was war denn in jenem Wirtshaus los, Louis?«, erkundigte sich seine Gemahlin. »Das müsste letzten Herbst gewesen sein. Da wart Ihr ohne mich, nur mit Eurem Diener unterwegs.«
»Ich kann mich beim besten Willen nicht mehr entsinnen, Chérie. Ich bin sicher, dass Madame einem Irrtum unterliegt.«
Der übergewichtige Edelmann war inzwischen vor Verlegenheit krebsrot angelaufen, und Schweißperlen standen auf seiner Stirn. Beinahe flehend schaute er der Comtesse in die boshaft funkelnden Augen.
Adelaide erwiderte fest seinen Blick und erkannte, dass er sehr wohl wusste, wovon sie sprach. Das sollte ihr als
Weitere Kostenlose Bücher