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Die Hexengraefin

Titel: Die Hexengraefin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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kleine Rache genügen. Vor der Äbtissin und seiner Ehefrau wollte sie ihn nicht weiter bloßstellen, denn sie war sich sicher, dass Letztere nach neugieriger Weiberart ihren Gatten einem detaillierten Verhör unterziehen würde, sobald sie erst alleine wären …
    »Mag sein, dass ich Euch in der Tat verwechsle, Monsieur«, meinte sie leichthin, »obwohl ich es eigentlich nicht glaube.«
    Das Mittagsmahl – zu Ehren der Gäste hatte man auf die übliche freitägliche Fastenspeise verzichtet und zartes Kalbsfilet auf Wirsinggemüse in Rahm und Kartoffelschaum serviert – vollzog sich nahezu schweigend. Dem Chevalier hatte es anscheinend die Sprache verschlagen, seine Gemahlin war verärgert, weil sie fühlte, dass ihr Mann etwas Wichtiges vor ihr verbarg, Adelaide sah keinen Grund, Konversation zu machen, und so bestritt die Äbtissin über weite Strecken die Unterhaltung allein, ehe auch sie in Sprachlosigkeit verfiel. Inzwischen war man beim Dessert, einer lockeren Schokoladencreme mit geschlagener Sahne, angelangt.
    Misstrauisch ließ die Ehrwürdige Mutter ihre lebhaften, dunklen Augen zwischen Louis de Grenelles, seiner Gattin und der Comtesse hin- und herwandern. Sie hätte gar zu gerne gewusst, was es mit jener Begebenheit seinerzeit auf sich hatte.
    Keinen Moment glaubte sie daran, dass die Comtesse sich in der Person des Chevaliers geirrt haben könnte …
    Endlich erschien es Adelaide vertretbar, sich aus der Runde zu empfehlen, ohne unhöflich zu wirken. Sie gab vor, müde zu sein und sich ein Weilchen in ihrer Zelle niederlegen zu wollen.
    »Vielleicht setze ich mich auch in den Rosengarten, dessen Sträucher schon erste Blüten zeigen«, warf sie in die etwas mühsame Unterhaltung ein, die zuletzt noch in Gang gekommen war.
    Sie zwang sich, langsam aufzustehen, sich gemächlich zu verabschieden – wobei man dem Chevalier ansehen konnte, wie froh er war, dass sie den Raum endlich verließ -, und schlenderte in aller Gemütsruhe aus dem Gästehaus hinaus.
    Im Hauptgebäude der Abtei angekommen, beschleunigte sie allerdings ihre Schritte, um schnell ihre Zelle zu erreichen, welche sie jetzt – wie sie sehnlichst hoffte – zum letzten Mal betreten würde. Ein paar Kleinigkeiten steckte sie noch ein, nahm ein großes, wollenes Schultertuch über den Arm – auf etwaige Fragen konnte sie behaupten, das Tuch als Unterlage auf dem Gras der Gartenanlage benützen zu wollen. Dann, nach einem allerletzten Blick auf das Kruzifix und einem stummen Gebet für gutes Gelingen, verließ sie jenen Raum, der seit dem Spätherbst des vergangenen Jahres ihr Zuhause gewesen war.
    ›Hélène und Anne sind gewiss schon am vereinbarten Ort‹, dachte sie, ›hoffentlich komme ich nicht zu spät. Allzu lange können unsere Retter bestimmt nicht an der Klostermauer stehen bleiben, ohne Aufsehen zu erregen – selbst wenn es sich um eine Stelle handelt, die normalerweise von Passanten nicht frequentiert wird.‹
    Es blieb natürlich nicht aus, dass gerade heute viele Nonnen sowohl im Gemüse- wie im Obstgarten arbeiteten. Adelaide grüßte die Schwestern freundlich und tat, als sei sie sehr müde, indem sie ständig mühsam ein Gähnen zu unterdrücken schien.
    »Oh, Madame la Comtesse, Ihr wollt bestimmt ein Nickerchen im Freien machen? Eure Zofe ist Euch schon vorausgeeilt. Ich habe sie eben vorhin in Richtung der Apfel- und Birnbäume spazieren sehen. Sie schien mir sehr zielstrebig – so, als könnte ihr jemand den besten Platz im Gras streitig machen«, sagte eine Nonne. Sie lachte unbefangen, aber Adelaide wäre beinahe das Herz vor Schreck stehen geblieben.
    ›Himmeldonnerwetter‹, fluchte sie innerlich, ›jetzt fehlt bloß noch, dass einer der Schwestern aufgefallen ist, wie Leni in die gleiche Richtung gegangen ist.‹
    Aber es passierte nichts. Sie gelangte unbehelligt an die vereinbarte Stelle.
    Hélène hatte den Sprung in die Freiheit mit tatkräftiger männlicher Hilfe bereits gewagt, während Anne Larousse noch wartete. Sie war nicht allein, sondern ein junger Mann, seiner Kleidung nach offensichtlich der Diener eines nicht unvermögenden Herrn, leistete ihr Gesellschaft bei den Birnbäumen an der Mauer.
    »Endlich seid Ihr da, Madame«, flüsterte Anne. »Demoiselle Hélène hat sich schon Sorgen um Euch gemacht. Als Nächste seid Ihr dran – es ist ganz leicht.«
    Der junge Bursche, der sich als Jules Ravin, Leibdiener des Comte Bernard de … – den vollständigen Namen seines Herrn hatte er nur

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