Die Hexengraefin
tummelten sich in Walburgas Reich. Sie fläzten sich entweder auf der Eckbank unter dem Herrgottswinkel oder auf den Stühlen herum. Helene sah ihre verschüchterte Mutter mitten in der Stube stehen, hilflos die Hände ringend, die blauen Augen ängstlich aufgerissen.
Sollten diese Kerle Übles im Sinn haben, ist mir meine Mutter gewiss keine Hilfe, dachte das junge Mädchen beklommen. Jeder im Dorf wusste, dass die Frau des Schultheißen schwache Nerven hatte und nicht belastbar war. »Wie eine adelige Dame«, spotteten die anderen Weiber in der Gemeinde. Aber es stimmte. Walburga besaß so gar nichts von jener Robustheit und Courage, die zum Überleben der unteren Stände nun einmal nötig waren.
Unwillkürlich hatte sich Helene umgeschaut, aber Jörgli war ihr natürlich nicht gefolgt. Den heutigen »faulen« Tag wollte er noch richtig genießen und sich, wie in den letzten Wochen, sein Essen von der alten, halb blinden Magd Gertrud bringen lassen.
Hagenbuschs Tochter erschien es am besten, möglichst forsch aufzutreten – das schüchterte die Kerle vielleicht ein.
»Was macht ihr für einen unflätigen Lärm? Ihr seid hier nicht im Wirtshaus. Wenn ihr mit dem Heimburger etwas zu bereden habt (Helene benützte einen anderen üblichen Ausdruck für »Schultheiß«), dann müsst ihr zum Gemeindeamt. Hier ist er jedenfalls nicht, wie ihr ja schon gesehen habt.«
Sie verschränkte die Arme vor der Brust und gab sich selbstsicher. Die Kerle glotzten sie überrascht an.
Drei von ihnen kannte sie gut: Es waren junge Burschen in ihrem Alter oder nur um ein weniges älter. Aber, wie ihr zu ihrem heimlichen Entsetzen einfiel, arbeiteten sie alle für den Henker Scheible …
Als sie eine Bewegung machte, als wollte sie lästige Fliegen verscheuchen, fasste sich der eine, ein ihr unbekannter Kerl. Er stand am Herd und hatte in die Pfanne mit den Bratwürsten gelangt, um sich eine dieser fetttriefenden Köstlichkeiten herauszuangeln. Langsam drehte er sich zu der attraktiven Sprecherin um, grinste sie gemein an und grunzte mit vollem Mund, weil er in die Wurst gebissen hatte: »Ja, da schau her. Wen haben wir denn da? Genau das Weibsbild, wegen dem wir den weiten Weg gemacht haben. So ein Glück.« Dann lachte er dröhnend.
Zwei seiner Kumpane fielen in das rohe Gelächter ein und beäugten das ansehnliche, junge Ding mit unverschämten Blicken. Die übrigen drei verhielten sich still. Es schien, als wäre ihnen das Ganze etwas peinlich.
»Was wollt Ihr denn von meinem Helen?«, wagte Walburga zu fragen. Die Sache war ihr gar nicht geheuer und instinktiv fühlte sie, dass ihrer Tochter Gefahr drohte.
»Maul halten, gute Frau. Mit dir haben wir nix zu schaffen, Alte!«, war die rüde Antwort des Burschen am Herd, welcher der Anführer zu sein schien.
»Saukerl, was erlaubst du dir?«, fuhr die junge Frau ihn erbost an. »Meine Mutter willst du beleidigen? Ich werd …«
»Gar nix wirst du, Bauernmensch. Außer ganz brav mit uns mitgehen und uns keine Schwierigkeiten machen. Sonst müssten wir nämlich leider ein wenig Gewalt anwenden. Nur um unseren Auftrag erledigen zu können, natürlich«, sagte der breitschultrige Bursche seelenruhig und biss noch einmal von der Bratwurst ab.
»Jesus Maria, ich wüsste nicht, was ich mit Euch zu schaffen habe. Warum wollt Ihr mich mitnehmen? Ich hab doch niemandem etwas getan.«
Wieder erntete sie rohes Gelächter, und einer der Männer sagte in aller Gemütsruhe: »Das wird sich dann schon bei den peinlichen Verhören vom Scheible herausstellen, wie unschuldig du bist. Aber wenn so viele Zeugen gegen ein Weib aussagen, wie es bei dir der Fall ist, dann ist bestimmt was dran.«
»Welche Zeugen denn? Und Zeugen für was?«
Helenes Stimme klang jetzt schrill vor Angst, und ihre Mutter war mitten in der Küche auf die Knie gesunken und betete laut zur Jungfrau Maria, dass diese »schlechten Gesellen« doch das Haus verlassen möchten.
»Das tun wir Alte, verlass dich drauf. Und zwar mit deinem Hexenbalg.«
Mit einem gemeinen Fluch hatte der Anführer der Bande die Bäuerin zur Seite gestoßen, sodass Walburga jetzt nicht mehr kniete, sondern auf dem Boden lag. Instinktiv wollte Helene ihrer Mutter zu Hilfe eilen, aber da wurde sie schon von zwei, drei Schergen grob gepackt. Sie fesselten ihr die Arme auf dem Rücken, während zwei andere der sich heftig Sträubenden und Kreischenden die Füße mit einem Strick zusammenbanden.
Dem einen Henkersknecht, der dabei geschickt mit
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