Die Hexengraefin
hingegeben, ohne verheiratet oder zumindest verlobt zu sein. Während dieser Gedanke ihr blitzartig durch den Kopf schoss, hoffte sie noch, wenigstens durch unaussprechliche Wonnen für den unersetzlichen Verlust entschädigt zu werden …
Doch nichts dergleichen geschah. Der Sohn des Herzogs nahm sie völlig gefühllos. Er keuchte und stieß zu mit einer Rohheit, die er wahrscheinlich auch den Mägden seines Vaters bezeigte.
Ohne jedes Feingefühl wollte er nur eines: möglichst schnell zur eigenen Befriedigung gelangen. Dass Adelheid vor Schmerzen wimmerte, scherte ihn keineswegs: Das war er schon gewohnt von den Weibern.
Zum Glück dauerte diese Tortur nicht lange. Sofort rollte er sich von ihr herunter, wischte sein nun schlaffes Glied am Saum eines Vorhangs ab, erhob sich wortlos und schloss seine Hosen. Adelheid, wie erstarrt auf dem Bett liegend, blickte ihn mit tränennassen Augen an.
Der arrogante Jüngling, dem heulende Frauenzimmer ein Gräuel waren, sah ungeduldig auf sie hinunter. »Was ist? Willst du nicht aufstehen? Wenn du auf ein zweites Mal wartest, musst du dich noch etwas gedulden. In einer Viertelstunde könnte ich wieder ficken, aber jetzt will ich ausreiten. Vielleicht können wir uns ja heute Abend wieder hier treffen?«
Wie von der Tarantel gestochen war Adelheid daraufhin aufgesprungen, hatte ihre Kleider an sich gerafft und sich im Alkoven angezogen.
Über die Schulter hatte sie dabei den Widerling wütend angefaucht: »Nein, besten Dank. Nach diesem schrecklichen Erlebnis habe ich keine Lust, mich jemals wieder von dir anfassen zu lassen. Nie hätte ich es für möglich gehalten, dass du so ein jämmerlicher Liebhaber bist. Wenn das die Wonnen der Venus gewesen sein sollen, dass mir jetzt das Kreuz und der Bauch wehtun und es zwischen meinen Schenkeln brennt wie Feuer, kann ich gern drauf verzichten, mein Lieber.«
Der Sohn des württembergischen Herzogs hatte erst überrascht, dann schrecklich beleidigt ausgesehen und verkündet: »Sei froh, dass du dein erstes Mal hinter dich gebracht hast. Die Weiber bei mir daheim reißen sich jedenfalls um mich«, fügte er dann angeberisch hinzu.
Da Adelheid ihn keines Wortes mehr gewürdigt hatte, war er, ebenfalls schweigend, aus dem Gemach geschlichen – und das keineswegs wie sonst, wenn er wieder einmal eine »Eroberung« gemacht hatte, mit vor Stolz geschwellter Brust.
Adelheid von Ruhfeld aber beschloss, niemandem gegenüber etwas von ihrem Abenteuer verlauten zu lassen – nicht einmal dem guten Pater Ambrosius würde sie sich anvertrauen. Was sie getan hatte, war ihr nämlich keineswegs wie eine »Sünde des Fleisches« erschienen – eher wie eine Riesendummheit.
Der Pater schloss das junge Mädchen väterlich in die Arme. »Ja, weint nur, Fräulein«, sagte Ambrosius begütigend und strich ihr beruhigend über das lange, schwarze Haar.
Wenn er an den Obersten Richter Bertold Munzinger, der als Stabträger fungierte und die Anklage vertreten würde, an dessen übereifrige Beisitzer, sowie den brutalen Henker Scheible und seine Schergen dachte, wurde ihm speiübel beim Gedanken an die Perversitäten, die sie der Helene antun würden.
Und das nach Vorschrift und Richtlinien des Teufelsbuches dieser beiden verdammten Dominikaner, die den unsäglichen Hexenhammer verfasst hatten, diesen gemeinen Leitfaden aller Scheußlichkeiten und Gräuel, die Menschen hatten ersinnen können, um hilflose andere Menschen zu foltern und in den Wahnsinn zu treiben.
Der Pater kannte diese Verfahren, deren Ablauf stets derselbe war: Anfangs mutiges Leugnen, dann Schmerz und Pein, später ein Aufbäumen und der Widerruf, danach hilfloses sich Fallenlassen, schließlich dumpfes Dahindämmern und geistige Umnachtung vor dem entsetzlichen Ende. Und alles im Namen unseres HERRN JESUS, seiner gebenedeiten Mutter Maria und aller Heiligen, ging es dem Benediktiner durch den Kopf.
»Hört zu, Adelheid, liebes Kind«, versuchte Pater Ambrosius die Aufmerksamkeit der jungen Frau zu wecken. »Das Einzige, was Ihr tun könnt, ist, dass Ihr unablässig Druck auf das sogenannte ›Hexengericht‹ ausübt. Lasst ihnen keine Minute Zeit zum Verschnaufen, begehrt jeden Tag Zutritt zu Eurer Freundin. Verlangt jeden Tag aufs Neue die Freilassung der unschuldigen Helene Hagenbusch. Betont in jedem Satz laut ihre Unschuld, verwerft alle Vorwürfe als boshaft, unrechtmäßig und falsch. Verlangt vor allem, dass man Euch die Ankläger nennt: Besteht darauf, eventuellen
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