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Die Hexengraefin

Titel: Die Hexengraefin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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Zeugen gegenübergestellt zu werden. Deutet dann mit dem Finger auf sie und schreit laut heraus, dass sie gemeine Lügner und Betrüger seien. Sagt ihnen auf den Kopf zu, dass sie von jemandem für ihre infamen Anschuldigungen bezahlt worden seien. Belästigt unaufhörlich die Behörden mit Eingaben, und klagt selbst die Richter an, wenn es sich als notwendig erweisen sollte. Macht ihnen Angst, edles Fräulein, und droht ihnen mit der Rache Eures Vaters, wenn er zurückkommt. Das gilt vor allem für den Henker, Martin Scheible. Dieser Bursche ist ein ganz übles Subjekt und unvorstellbar grausam: Außerdem hat er sich noch an jedem seiner Opfer bereichert.«
    Pater Ambrosius war beinahe außer Atem, so schnell hatte er Adelheid Anweisungen gegeben.
    »Und noch etwas: Geht niemals allein und ohne männlichen Schutz zu diesen Leuten: Allzu leicht könntet Ihr verschwinden – und zwar für immer. Lasst Euch stets von mindestens sechs bewaffneten Knechten begleiten. Erstens macht das mächtig Eindruck, und zweitens wird es die Lust, Euch körperlich anzugreifen, beträchtlich mindern. Gegen Euch hat man zwar nichts, aber Euer Vater ist nicht bei allen Leuten beliebt – denkt nur an die Freunde des Markgrafen oder an die heimlichen Anhänger Martin Luthers. Ihr seht, Adelheid, ich rede völlig offen mit Euch, meine Tochter«, war der ältliche Mönch fortgefahren und hatte sich den Schweiß von der Stirn gewischt.
    »Hört zu. Noch eines: Lasst Euch nach Möglichkeit vom Schlossvogt begleiten. Das unterstreicht Eure Macht. Von Waldnau wird davon nicht begeistert sein, aber ich werde ihm noch einiges zuflüstern, und ich denke, er wird sich zähneknirschend dazu bereitfinden. Sonst bekommt er gewaltigen Ärger mit mir, wenn ich zurückkomme. Und wenn alles nichts nützt: Geht nach Straßburg zu Bischof Leopold. Ich weiß, dass der geistliche Herr genauso wenig wie ich an Hexen glaubt. Aber er ist, trotz seiner Intelligenz von Natur aus feige und bequem wie alle Habsburger und wird sich niemals offen gegen den Papst stellen. Aber ich könnte mir vorstellen, dass er sich Eurer Bitte nicht verschließen würde.«
    »Diese Neigung, stets dem Weg des geringsten Widerstandes den Vorzug zu geben, teilt er wohl mit den meisten hohen Herren«, hatte Adelheid spöttisch kommentiert.
    Der Pater war auf diesen Vorwurf nicht eingegangen und hatte gedacht: Schade, dass der Straßburger die Attraktivität schöner Frauen nicht schätzt – die von jungen Männern angeblich dafür umso mehr … Vielleicht könnte man ihn damit ein wenig unter Druck setzen?
    Aber das war ein zu heikles Thema und einer Jungfrau nicht zuzumuten – eigentlich durfte sie über diese geheimen Dinge gar nicht Bescheid wissen.
    Pater Ambrosius steckte seiner jungen Herrin ein noch ziemlich sauberes Taschentuch zu, damit sie sich die Nase putzen konnte. Dankbar schob sie es nach Gebrauch in die Rocktasche ihres festlichen Gewandes aus roter Seide mit dem hohen und feinen, weißen Kragen aus Brüsseler Spitzen.
    Zu Ehren ihres abreisenden Vaters hatte sie sich heute besonders herausgeputzt gehabt, aber ihr vom Weinen gerötetes Gesicht und ihre aufgelöste Frisur wollten so gar nicht mehr dazu passen.
    Ihre Zofe Ursula erbot sich, die junge Dame wieder präsentabel zu machen, und der Benediktinermönch ging in den Schlosshof hinunter, wo eben ein feierlicher Umtrunk stattfand und die letzten Abschiedsreden gehalten wurden.
    »Das ist ja schlimmer, als würde Vater in den Krieg ziehen«, murmelte Adelheid ungehalten, als sie mit Ursula ihrem Schlafgemach zustrebte.

KAPITEL 7
    HELENE HATTE GERADE den Verband am Bein des auf seinem Strohsack in der Gesindekammer liegenden Jörgli gewechselt. Und weil die Wunde und der Bruch bereits sauber verheilt waren, sagte das Mädchen, ohne auf das Stöhnen des etwas trägen Knechtes zu achten: »Morgen kannst du wieder schaffen, Jörgli. Das ewige Liegen tut dir gar nicht gut.«
    Der Knecht zog zwar ein Gesicht, traute sich aber keine Widerrede zu geben, und sie packte ihre Salbentöpfchen und Binden ein – da hörten beide den Lärm.
    »Was ist denn das?«, rief Helene alarmiert. »Man könnte meinen, es wären Besoffene auf den Hof gekommen. So einen Krach zu machen, da hört sich doch alles auf.«
    Sie lief aus der Knechtkammer und schnell die Stiegen hinunter in die Küche, woher das Rumoren kam. Zornig riss sie die Tür auf und prallte erschrocken zurück.
    Denn nicht weniger als sechs schmutzige und kräftige Burschen

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