Die Hexengraefin
begleiten, Georg. Zumindest bis zu einer Stelle, von der wir annehmen dürfen, dass du ab da in Sicherheit bist.«
Georg war ehrlich genug, sich einzugestehen, dass ihn das sehr beruhigte. Der Matthis war ein besonnener und kräftiger Mann, dessen Gegenwart ihm sicher gut zustatten käme.
Vom Hof seiner Verwandten aus war es nicht weit zum Einbethenberg. Auf dessen Höhe erhob sich die dem heiligen Jakobus geweihte Bergle-Kapelle.
Dieser war nicht nur der Namenspatron seines Vaters, sondern auch der Beschützer aller Reisenden und damit wohl auch derer, die sich auf der Flucht befanden.
Es war Vollmond und sternenklar, und der Anstieg fiel den beiden jungen Männern nicht schwer. Bei Tage hatte man dort oben einen wunderschönen Blick über das Kinzigtal und die gesamte Anlage des Städtchens Gengenbach.
Matthis war erst unwillig über die seiner Ansicht nach unnötige Verzögerung gewesen, aber Georg war stur geblieben. »Ich muss dort oben in der Kapelle zum heiligen Jakobus beten«, sagte er bestimmt. »Tue ich es nicht, wird meine Flucht nicht gelingen.«
Da hatte Matthis den Mund gehalten und war dem Jungbauern schweigend gefolgt.
Oben angekommen, war Georg sehr betroffen. »Ich habe zwar schon erzählen gehört, dass die Schweden die Kapelle geschändet haben, aber dass bloß noch ein Steinhaufen davon übrig ist, das wusste ich nicht. Da habe ich doch gleich die Möglichkeit, ein Gelübde zu machen: Wenn ich den habsburgischen Häschern entkomme und sie mich nicht mehr als möglichen Hexenbefreier und Mörder ihres Wachpersonals und des Scheible verfolgen, werde ich, wenn ich wieder daheim in Frieden leben kann, zum Dank dem heiligen Jakobus seine Kapelle wiederaufbauen lassen.«
»Wohl gesprochen, Georg. Verrichte jetzt nur rasch dein Gebet zum heiligen Jakob und dann lass uns weiterziehen. Es ist so hell, als wäre es Tag und nicht kurz vor Mitternacht. Es kommt mir vor, als könnte man uns zwei schon von Weitem sehen.«
»Ach was«, wiegelte Georg ab. »Keiner sieht uns. Außerdem: Wir sollten nicht blind drauflos rennen, sondern zuerst einmal in aller Ruhe überlegen, wohin wir überhaupt wollen.«
Damit ließ sich Georg unweit der Ruine des Kirchleins unter einer alten Wettertanne nieder, und Matthis tat es ihm gleich. Da hatte sein junger Herr nicht unrecht: Das musste in der Tat genauestens überlegt werden. Nach einigem Hin und Her, nach verschiedenen Vorschlägen und mehrmaligem Verwerfen etlicher Möglichkeiten, waren sie sich schließlich einig. Zum Schluss ließen sie sich auf die Knie nieder und dankten GOTT sowie dem heiligen Jakobus für den großartigen Einfall, den Georg gehabt hatte.
Sie müssten dazu allerdings die finanzielle Unterstützung von Herschel Grünbaum, dem Juden von Reschenbach, in Anspruch nehmen. Matthis würde so schnell wie möglich zu seinem Herrn, dem Jakob Hagenbusch, heimkehren, ihn in den Plan einweihen und ihn bitten, zu Grünbaum zu gehen und für seinen Sohn zu bürgen.
Georg würde sich inzwischen in einer Höhle in der Nähe verstecken und die Rückkehr des Matthis abwarten, der – hoffentlich – mit einer ansehnlichen Summe zurückkäme.
Der Knecht war recht angetan von dem Plan des jungen Bauern.
»Damit machst du dich bei den Kaiserlichen ungemein beliebt«, meinte er, »und sie werden kaum noch danach fragen, ob du vielleicht einer Hex – selbst wenn sie deine Schwester ist – geholfen hast. Hier geht es nämlich um Wichtigeres, um eine Ware, die teuer und dazu rar ist und von der die Kaiserlichen gar nicht genug haben können, wenn sie gegen die Schweden und deren protestantische Anhänger die Oberhand gewinnen wollen. Wer fragt da noch nach einer jungen Hexe und ein paar verschwundenen, alten Weibern?«
Im Stillen hoffte Georg, dass Matthis mit seiner Einschätzung richtig lag; aber auch ihn dünkte seine Idee, als Pferdeeinkäufer ins Ausland zu gehen, recht famos.
Der Verschleiß an Gäulen war ungeheuer. In Schlachten und mehr noch auf den ewig langen Gewaltmärschen krepierten jährlich Zehntausende der Rösser. Je länger der Krieg dauerte, wurde dies immer mehr zu einem schier unlösbaren Problem.
Die Pferdehändler – reiche Leute mittlerweile – reisten bereits bis nach Polen und Ungarn, um geeignete Tiere für die Reiterei aufzutreiben.
Georg Hagenbusch gedachte, sich mit Matthis, der über einen ausgezeichneten »Pferdeverstand« verfügte, nach Polen aufzumachen, um die katholische Seite – sprich die Kaiserlichen – mit
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