Die Hexengraefin
Einzige, was Hasso zu tun vermochte, war, seinen Dienstmannen zu befehlen, die Toten zu begraben und aus kleinen Baumstämmen primitive Kreuze zu zimmern, welche sie auf dem armseligen Totenhügel hinter dem halb zerstörten Haus aufstellten.
Warum fasste sich der Kaiser kein Herz, ging auf den Schwedenkönig zu und bot ihm die Hand zum Frieden? Was sollte dieser unselige Stolz? Schließlich fanden die Kriegsgräuel auf deutschem Boden statt und nicht oben in Gustav Adolfs düsterer Heimat.
Es waren die deutschen Landsleute, welche unter Elend, Not, Gewalt und Hunger zu leiden hatten. Und das seit beinahe vierzehn Jahren. »Soll dieser verdammte Krieg denn ewig weitergehen?«, fragte sich der junge Grafensohn, seit Kurzem Ehemann und in Bälde Vater eines Kindes.
»Ich sollte zu Hause sein, meinen alten, hinfälligen Vater unterstützen, mein junges Weib verwöhnen und ihr bei der Geburt unseres Kindes die Hand halten«, dachte er wehmütig und zornig zugleich. Er war beinahe sicher, dass daheim auf Ruhfeld alles drunter und drüber ging – immerhin hatte Ferfried immer noch schwedische Offiziere als Einquartierung. Jetzt musste sich erweisen, ob Anselm von Waldnau in der Lage war, die Grafschaft vernünftig zu verwalten. Hoffentlich schaute ihm Vater Ambrosius auf die Finger …
Er war froh, dass sein Vater so klug gewesen war und seine Schwiegertochter in ihr elterliches Schloss in Stuttgart zurückgeschickt hatte, wo Vater, Mutter und Geschwister auf die Schwangere ein Auge haben konnten.
Aber in Ordnung war es nicht. Eine junge Ehefrau und werdende Mutter gehörte ins Haus ihres Ehemannes.
Seufzend faltete er den jüngsten Brief seiner Gemahlin Gisela zusammen. Die junge Frau litt beträchtlich unter den Beschwerden, welche ihr die Schwangerschaft auferlegte und sie war überdies ungeduldig und sehr unwillig über den Umstand, dass sie von Hasso »im Stich gelassen« worden war, wie sie es ausdrückte.
Dieser Vorwurf war kindisch und ungerecht zugleich, aber Hasso in seiner Nochverliebtheit hielt ihr bei ihren Launen die Beschwernisse ihres Zustandes zugute und verzieh ihr die albernen Vorhaltungen.
Er hatte sich schließlich nicht darum gerissen, seine Zeit in Festungen und Lagern zuzubringen, an Konferenzen, die nichts einbrachten, teilzunehmen, sowie an Kampfhandlungen, bei denen die Kaiserlichen in der Regel den Kürzeren zogen.
›Selbst wenn wir hin und wieder in einem Gefecht die Stärkeren sind, der Feind ist uns dennoch überlegen‹, dachte er griesgrämig. Die Protestanten hatten inzwischen ein phänomenales Selbstvertrauen entwickelt, und sie erhielten immer stärkeren Zulauf.
›Warum können denn in GOTTES Namen nicht Katholiken und Protestanten friedlich im Reich zusammenleben?‹ Diese Frage stellte er nicht zum ersten Mal, und einer seiner Freunde, der gleichaltrige Graf Heinrich von Ebersbach, nickte zustimmend. Auch er hatte ein junges Weib zurückgelassen auf dem Schloss seiner Eltern und verspürte nicht die geringste Lust, noch sehr viel länger diesen Irrsinn mitzumachen.
»Uns fragt ja keiner, Hasso«, rief er wütend. »Die hohen Herren« – gemeint waren Kurfürst Maximilian von Bayern, der Kaiser und andere Fürsten – »sehen zwar das grauenvolle Elend im Land, aber es schert sie nicht im Geringsten. Sollen die Bauern doch verrecken. Wer an ihrer statt die Äcker und Felder bebaut, damit wir alle was zu essen haben, sowie das Schicksal der Vielen durch den Krieg Verstümmelten interessiert sie nicht. Selbst, dass mittlerweile ganze Landstriche entvölkert sind, bringt sie nicht zum Nachdenken. Es hat den Anschein, als müsste alles zum Teufel gehen.«
Heinrich von Ebersbach wusste, dass er in Hasso von Ruhfeld einen Gleichgesinnten vor sich hatte, sonst hätte er seine Meinung gewiss nicht so offenherzig kundgetan.
Es empfahl sich keineswegs, in Regensburg, sozusagen unter den Augen Kurfürst Maximilians, den Mund zu weit aufzureißen.
Bei Kritik an der Kriegführung – mochte sie auch noch so sehr berechtigt sein – reagierte Seine Durchlauchtigste Gnaden sehr ungnädig. Das hatte mancher schon zu spüren gekriegt, der es bloß gewagt hatte, unbequeme Fragen zu stellen.
Heute Abend würden Hasso und sein Freund Heinrich neben vielen anderen wieder einmal Gäste Herzog Maximilians sein. An glänzender Tafel würden sie sitzen, erlesene Köstlichkeiten speisen und sich von dezenter Tafelmusik einlullen lassen. Dazu würde man plaudern, als lebte man im tiefsten
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