Die Hexengraefin
kürzester Zeit in allen Schlössern und sogar in den Palästen des Königs erbärmlich stank. Sobald es den Herrschaften zu schlimm wurde, reiste man in ein anderes Palais, um in alter Manier genauso zu verfahren, ehe man erneut sich auf die Reise begeben musste, um dem Personal Gelegenheit zu geben, die mit Kot und Urin verschmutzten Räume, Gänge und Treppenhäuser zu reinigen.
Hélène hatte erst neulich die launige, aber durchaus ernst gemeinte Bemerkung zu ihrer Herzensfreundin gemacht: »Solltest du einmal deinen Comte nicht mehr lieben, würdest du wahrscheinlich dennoch bei ihm bleiben, Heidi, weil du dich von seiner Badewanne und seiner Wasser-Toilette nicht trennen könntest.«
Noch aber brannte die Leidenschaft zwischen der deutschen Gräfin und dem französischen Edelmann so heiß wie die glühende Sommersonne. Adelaide vertraute ihm voll und ganz und hatte auch keinen Grund gesehen, ihm die Wahrheit über ihr und ihrer lieben Helene Schicksal zu verheimlichen. »Ich kann den Menschen, welchen ich über alles liebe, nicht belügen«, hatte sie zu Hélène gesagt, als die junge Frau Bedenken angemeldet hatte, den Comte einzuweihen.
Er wusste Bescheid über den Hexenprozess in der Ortenau und seinen Ausgang, über ihre Zuflucht in Straßburg bei Bischof Leopold, ihre erneute Flucht durch Frankreich, und bei dem unangenehmen Erlebnis mit dem Chevalier de Grenelles, im Lion d’Or in Tonnerre, war er selbst Zeuge gewesen.
Von den Schikanen, welchen sie im Kloster Sainte Cathérine ausgesetzt waren, hatte er durch seine Schwester Madeleine erfahren und ihr Entkommen über die Klostermauern hatte er persönlich arrangiert.
In langen Unterredungen hatte ihm seine Liebste von der Heimat jenseits des Rheines gesprochen, von Ruhfeld, vom Grafen Ferfried und ihrem Bruder Hasso, von Vater Ambrosius und Salome Bürgi und dem Schlossvogt Waldnau.
Aber auch von Georg und Jakob Hagenbusch hatte sie erzählt und von dem unseligen Hexenprozess, dem das unschuldige Helen beinahe zum Opfer gefallen war und von den Haupttätern, dem selbstgefälligen Munzinger und dem ausnehmend grausamen Henker Scheible.
Sogar die bemerkenswert raffiniert eingefädelte »Entführung« der angeblichen Hexe schilderte Adelheid in allen Einzelheiten; und sie sparte dabei die Morde an dem damaligen Wachpersonal keineswegs aus.
»Es war mir ein Bedürfnis, mir endlich einmal alles von der Seele reden zu können«, verteidigte sie sich vor Helene, die schwere Bedenken angemeldet hatte.
»Ich habe gelernt, keinem mehr zu trauen«, widersprach die ehemalige Schultheißentochter hart, aber die Gräfin beruhigte sie umgehend.
»Ich verbürge mich für die Ehrenhaftigkeit meines Geliebten, des Comte«, sagte sie. »Er wird uns niemals verraten – dessen bin ich mir absolut sicher.«
Da hatte das Helen geschwiegen, aber ihrer skeptischen Miene war anzusehen gewesen, dass sie keineswegs den Optimismus ihrer Freundin teilte.
KAPITEL 84
BERNARD DE GRANDBOIS WAR als Erster erwacht. Er beugte sich über seine noch schlummernde Geliebte und amüsierte sich über das seltsame Streifenmuster auf ihrem schlanken Körper, welches die einfallenden Sonnenstrahlen, die sich durch die schräg gestellten Latten der geschlossenen Klappläden stahlen -, bildeten. Zart fuhr er mit dem Zeigefinger der Linie ihres Rückgrats entlang, vom schlanken Hals bis hinunter zu ihrem entzückenden Hinterteil, das gerade noch zur Hälfte von einem leichten Seidenlaken bedeckt wurde.
Eine ganze Zeit lang passierte gar nichts; Adelaide schlief tief und fest. Da verstärkte der Comte den Druck seiner Hand, und nun bewegte sich seine Schöne endlich und seufzte, ehe sie die großen, dunklen Augen aufschlug.
»Haben Sie wohl geruht, Chérie?«, erkundigte sich Bernard höflich. Adelaide drehte sich um und wandte ihr Gesicht dem Grafen zu.
»Wie man es nimmt«, gab die Comtesse zur Antwort, »zuerst war ich so todmüde, dass ich sofort in Tiefschlaf gesunken bin, aber später hatte ich schwere Alpträume. Ich habe hauptsächlich von aufgebrachten Menschenmengen geträumt und von einer Feuersbrunst. Glaubt mir, das war wenig erheiternd. Aber das kommt sicher von dieser monatelangen Gluthitze«, fügte sie hinzu und streckte lächelnd die Arme nach ihrem Geliebten aus.
»Kommen Sie in meine Arme, Chéri«, forderte sie, »und trösten Sie mich über diesen dummen Traum hinweg, Bernard.«
»Nichts, was ich lieber täte, meine Prinzessin.«
Der Comte war auf einmal sehr
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