Die Hexengraefin
möglicherweise gelingt es auch mir irgendwann, mich einfach fallen zu lassen und die körperliche Liebe als das zu empfinden, was sie eigentlich sein sollte, nämlich die größte Befriedigung – auch wenn die Pfaffen anderes behaupten.«
Zu Adelaides großem Erstaunen hatte die Ehrwürdige Mutter vom Kloster Sainte Cathérine die heimliche Flucht ihrer »Schutzbefohlenen« nicht an die große Glocke gehängt.
Nach den Berichten Schwester Marie-Madeleines an ihren Bruder, den Comte, reagierte die Äbtissin auf die anfangs zahlreichen Fragen von Klosterinsassen und Besuchern mit größter Unbefangenheit und behauptete, die Comtesse habe nach Erfüllung ihres Gelöbnisses, das ihr eine gewisse Zeit in klösterlicher Abgeschiedenheit auferlegt habe, nun wieder die Heimreise angetreten. Binnen Kurzem fragte niemand mehr nach der Gräfin, ihrer leidenden Schwester und deren Zofe. Im Geheimen allerdings hatte Madame des Anges sehr wohl alle »wichtigen« Personen vom Verschwinden ihrer Gäste unterrichtet. Dazu gehörte natürlich der Kardinal und Erste Minister Frankreichs, Armand-Jean de Richelieu.
Die Leiterin von Sainte Cathérine beklagte sich bei ihm bitter über die »Undankbarkeit« der einstigen Flüchtlinge, denen sie so uneigennützig Asyl hinter den Klostermauern gewährt habe. Sie unterließ dabei nicht, manche Spitzen gegen die drei einfließen zu lassen, die sich auf die laue Auffassung der Damen in Bezug auf Frömmigkeit und klösterliche Zucht stützten.
»Wo es nur ging, entzogen sich die Comtesse de Bréteuil und ihre angeblich so kranke Schwester den gemeinsamen Betstunden und den allgemeinen Bußübungen«, monierte Angélique des Anges in scheinheiliger Entrüstung, um gleich darauf ihre Zweifel bezüglich der spontanen Heilung der Madame Hélène de Morrisson anzudeuten.
Alle drei seien ein Faktor der Unruhe im sonst so friedvollen Konvent gewesen, behauptete die Ehrwürdige Mutter und vor deren »beinahe unziemlicher Neugier« in Bezug auf Heil- und Giftpflanzen hätte sie sich von Anfang an sogar regelrecht gefürchtet.
Es sei nun nicht so, dass sie das spurlose Verschwinden der Damen bedauere, nein, ganz im Gegenteil. Aber sie beklage deren Undankbarkeit und so weiter und so weiter …
Ganz zum Schluss fügte sie hinzu, dass sie keinerlei Hinweise darauf habe, wohin sich das »merkwürdige Trio« begeben haben könnte; nur wäre dessen heimliche Abreise in Szene gesetzt worden nach dem Besuch eines Gönners der Abtei, mit Namen Louis de Grenelles, Chevalier des Manoir de Chastenay, welcher mit seiner frommen Gemahlin am Tage der Flucht der Comtesse in Sainte Cathérine eingetroffen sei.
Die Gräfin Adelaide hätte sich bei der Vorstellung und beim anschließenden Mittagsmahl sehr eigenartig gegen den Chevalier verhalten – aber mehr könne sie leider nicht darüber sagen.
Kardinal Richelieu hatte sich angeblich niemals dazu geäußert …
KAPITEL 83
ES WAR IM JULI des Jahres 1632, und brütende Hitze lag über dem Land und jeder, der gezwungen war, sich im Freien aufzuhalten oder gar zu arbeiten, stöhnte über diese Zumutung.
Schon seit Wochen lag diese bleierne Glut über fast ganz Europa, sie ließ die ohnehin spärliche Ernte infolge Wassermangels gänzlich verdorren und lähmte Tier und Mensch. Sogar die unversöhnlichen Feinde von katholischer Liga sowie protestantischer Union ließen nach in ihrem Kampfeseifer. Die Kämpfe ruhten vorerst einmal.
Leider nicht auf Dauer, nein. Man verkroch sich gleichsam nur in den Schatten, sammelte neue Kräfte, um sich dann im Herbst mit desto wilderer Wut erneut auf den Gegner zu werfen.
Die Söldner der einzelnen Kriegsherren zogen wie Heuschrecken kreuz und quer durch Deutschland, fraßen jener biblischen Insektenplage gleich alles kahl, um dann weiterzuziehen, um andernorts eine Wüstenei zu hinterlassen.
Während die Bauern und die ärmeren Bürger in den Städten darbten, ließ es sich an den Tischen der Reichen noch recht wohl sein. Unmengen an Fleisch wurden verzehrt, mit dem wenig schönen Ergebnis, dass die meisten Angehörigen des Adels bereits in mittlerem Alter an der Gicht litten, während in den Armenhaushalten hauptsächlich Sauerkraut, genannt »Kumpost«, sowie sauer eingelegte Rüben und Mus aus Gerste und Hirse gegessen wurden – eine Kost, welche die unteren Bevölkerungsschichten vor den schmerzhaften Gichtanfällen bewahrte. Sie litten dafür an anderen Krankheiten, verursacht von der allgegenwärtigen
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