Die Hexengraefin
erkleckliche Summe Geldes an, um sich quasi freizukaufen. Und siehe da, diese verfehlte ihre Wirkung nicht. Man ließ die französisch-deutsche Reisegruppe widerspruchslos weiterziehen.
»Noch einmal hätte ich das nicht durchgestanden.«
Die Gräfin Adelheid war erleichtert und umarmte ihre liebe Schwester, die ihr Zertifikat von Oudewater, sorgsam verpackt, mit sich führte.
In der Gegend des Bodensees, dessen Gemeinden mehr oder weniger alle in Schutt und Asche lagen, so sehr hatten die Schweden dort gehaust, machten sie die »Bekanntschaft« eines Marodeurs.
Ein Knecht des Comte hatte den Mann nachts dabei überrascht, als er sich im Hof eines der wenigen, einigermaßen erhaltenen Gasthöfe an den Packpferden der gräflichen Gesellschaft zu schaffen machen wollte. Ehe der Kerl es sich versah, hatte der Franzose ihm seinen Dolch an die Gurgel gesetzt und ihn außer Gefecht gesetzt.
Am nächsten Morgen führte man ihn vor den Grafen, aber der verstand kein Wort von dem Gestammel des gefesselten Mannes. Man holte Adelheid, die mit dem Dialekt des Diebes zwar ihre liebe Not hatte – es handelte sich um Bayerisch -, aber gleichwohl gelang es ihr, das Wesentliche zu erfahren.
Ein desertierter Landsknecht aus der Armee des Kurfürsten Maximilian war er. Gemächlich schilderte der verwahrloste Bursche seinen Zug kreuz und quer durch deutsche Lande. Vom Winterquartier in Pforzheim wären sie nach Tübingen gezogen, danach ins Hohenzollersche, um schließlich von Löffingen durch den Schwarzwald bis nach Freiburg zu marschieren.
Daraufhin ging’s nach Donaueschingen, wo die Donau entspringt, danach nach Neustadt im Schwarzwald. Von da aus liefen wir ins »Himmelreich« danach in die »Hölle«. Das war ein furchtbar wildes Land, er meinte das wildromantische »Höllental«, »lauter Berg und Tal und alles Wald und viel frisches Wasser mit schönen Forellen drin«.
Nachdem er sich so blumig über die durchstreifte Natur ausgelassen hatte, kam er zum Wesentlichen: »Haben den Bewohnern von Colmar« – sie waren also auch ins Elsässische hinübergekommen -, »das ganze Getreide um die Stadt herum verdorben durch Schneiden für uns selber, durch Hin- und Herreiten und durch Brennen. Da aber haben sie aus der Stadt mit Kanonen brav auf uns herausgeschossen. Was soll ich sagen? Sie haben mir mein Weib dabei erschossen, denn die und mein Bub haben auch Korn geschnitten.«
So erfuhren Adelheid und Helene, dass die Söldner ihre Familien mitführten. Der Comte bestätigte das. »Weiber und Kinder der Söldner leben mit im Tross. Die Frauen versorgen ihre Männer mit Essen und pflegen sie bei Krankheiten und bei Verwundungen. Eine jede dieser gewöhnlich nicht vor einem Priester geschlossenen Ehen sind im Grunde nur Beutegemeinschaften.«
Anschließend beriet man, was mit dem Gefangenen zu geschehen habe. Monsieur de Grandbois meinte schließlich: »Sicher, der Kerl ist ein Dieb und wahrscheinlich ein Halsabschneider obendrein, wenn er die Gelegenheit dazu hat. Aber mein Knecht hat ihn bereits in der Nacht ordentlich vertrimmt. Das soll als Strafe genügen. Lassen wir ihn laufen – im Grunde ist er ein armes Schwein, allein, ohne Familie, ohne jeden Halt. Wenn ihm nicht irgendwann einer den Garaus macht, wird ihm wohl nichts anderes übrig bleiben, als sich erneut beim Heer anwerben zu lassen.«
Die Frauen waren erleichtert. Nichts wäre für sie schlimmer gewesen, als wenn sie hätten zusehen müssen, wie die Diener des Comte den Übeltäter am nächsten Baum aufgeknüpft hätten – wie es in diesem Fall ihr gutes Recht gewesen wäre.
KAPITEL 97
DIE REISE NEIGTE SICH ALLMÄHLICH IHREM ENDE entgegen. Anfang Juli war man in der Stadt Freiburg angelangt.
Obwohl besonders Adelheid und Helene darauf drängten, möglichst schnell in die Ortenau zu gelangen, hielt es der Comte für besser, erst einmal in der Stadt eine zweitägige Rast einzulegen, um nicht »wie die Landstreicher abgehetzt und derangiert« in Ruhfeld anzukommen.
Man mietete sich im besten Gasthof der Stadt ein, im Roten Bären, der bereits Kaiser Maximilian zu seinen erlauchten Gästen gezählt haben sollte. Weil aber nicht alle unterkommen konnten, suchte der Rest der Gruppe andere, in der Nähe liegende Herbergen auf.
Man genoss die Annehmlichkeiten eines Bades, einer gepflegten Tafel mit vorzüglichen Speisen und hervorragenden Weinen, die in den ausgedehnten Kellergewölben des Roten Bären lagerten, ebenso wie die Bequemlichkeit der hübsch und
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