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Die Hexengraefin

Titel: Die Hexengraefin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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»Als er starb, war ich erst zwei Jahre alt.«
    »Es ist das erste Mal, dass ich bewusst und direkt mit dem Tod eines Familienmitgliedes konfrontiert worden bin«, entgegnete Adelheid. Sie saß gedankenschwer beim Trauermahl in der großen, heute so düsteren Halle. Alle Fenster und sämtliche Spiegel im Schloss hatte die Dienerschaft zum Zeichen der Trauer mit schwarzem Kreppstoff verhängt.
    »Meine Mutter verstarb bei meiner Geburt. Ich habe sie nicht vermisst, weil ich sie niemals kennengelernt hatte. Was ich ab und an verspürte, war ein vages Sehnen nach mütterlicher Wärme und Fürsorge – wobei ich nicht sagen kann, ob die Gräfin Sybilla dem hätte gerecht zu werden vermocht. Sie war wohl eine wunderschöne Frau, aber ob sie auch Herz besaß, das kann nur mein Vater wissen – und ich habe nie gewagt, ihn danach zu fragen.«
    »Ihr, Madame, seid nicht nur ebenfalls über alle Maßen schön, sondern dazu noch eine anbetungswürdige Frau, voller Güte und Großherzigkeit«, rief der Comte leidenschaftlich aus, beugte sich über die Hand seiner Gemahlin und küsste sie innig.
     
     
    Nach vier Wochen der Trauer wollten Graf Bernard, seine Frau Adelheid und Helene Hagenbusch mit zahlreicher Dienerschaft und einer stattlichen, gut bewaffneten Begleitmannschaft nach Ruhfeld reisen.
    Es dauerte dann doch sechs Wochen, ehe alle Vorbereitungen getroffen waren und man die beschwerliche Reise nach Deutschland antreten konnte.
    Da es aus naheliegenden Gründen nicht möglich war, den direkten Weg ins Badener Land einzuschlagen, sondern man zahlreiche Umwege in Kauf nehmen musste, war eine Planung der Route gar nicht so einfach gewesen.
    Adelheid aber hatte große Schwierigkeiten, sich von ihren geliebten Kindern zu trennen. Die putzigen Säuglinge hätte sie am liebsten mitgenommen, aber da sprach ihr Gemahl ein Machtwort. »Die Kleinen einer wie immer gearteten Gefahr auszusetzen wäre unverantwortlich. Die Kinder bleiben zu Hause.«
    Auch Helene hatte ganz in Bernards Sinn gesprochen: »Du bist wohl nicht recht gescheit, Heidi«, hatte sie geschimpft. »Was denkst du dir denn? Das ist kein Spazierritt, den wir da vorhaben, sondern eine ziemlich gefährliche Angelegenheit, auch wenn wir gut ausgerüstet und bewaffnet sind. Wer sagt dir denn, was den Schweden alles einfällt?«
    »Pah, die Schweden. Sie sind doch Frankreichs Verbündete«, trumpfte die Comtesse auf.
    »Umso gefährlicher wird es mit den Kaiserlichen sein. Dein Gemahl hat sich nicht ohne Grund für viel Geld um Passierscheine bemüht, die ihm den Durchzug durch deutsches Gebiet erlauben sollen zum Zwecke des Besuchs bei seinem Schwiegervater.«
    Doch Adelheid hatte insgeheim längst resigniert und eingesehen, dass sie ihre Kinder Philippe-André und Sybilla-Charlotte auf Schloss Beauregard lassen musste.
     
     
    In der dritten Juniwoche 1633 ging die Reise in aller Herrgottsfrühe los. Die Gräfin, die sich unsagbar freute, ihren Vater und den Bruder wiederzusehen, bedauerte nur, dass sie diesmal seit langer Zeit ohne die Dienste ihrer treuen Zofe Ursula auskommen musste. Denn die hatte man daheim gelassen, um den kleinen Grafen, der mächtigen Appetit hatte, zu stillen.
    Aus irgendeinem Grund, den Adelheid nicht recht nachvollziehen konnte, hatte ihr Gemahl den Weg über die Schweiz und den Bodensee gewählt. Das Wetter war den Reisenden, die diesmal alle zu Pferde saßen, wohlgesonnen. Die ansehnliche Gruppe, die beinahe vierzig Personen umfasste, kam ordentlich voran.
    Nur in Bern geschah ein höchst unliebsamer Zwischenfall. Die Stadtväter luden sie nämlich ein, bei der Hinrichtung einer der Hexerei Überführten, Geständigen und Verurteilten anwesend zu sein. Der Scheiterhaufen wartete schon …
    Obwohl der Comte deutlich zu machen versuchte, dass man es eilig habe und keinesfalls die liebenswürdige Einladung annehmen könne, ließen die Berner nicht nach.
    Im Gegenteil, man fragte pikiert und mit durchaus drohendem Unterton, ob die Reisenden vielleicht etwas gegen die Verbrennung überführter Hexen einzuwenden hätten – im Gegensatz zur heiligen Mutter Kirche, die, wie man wisse, voll hinter dieser Art der Gerichtsbarkeit stünde?
    Bernard de Grandbois hatte alle Mühe, den Eidgenossen klarzumachen, dass es ihm egal sei, was sie mit ihren Frauen anstellten, aber er und seine Reisegenossen hätten damit nichts zu tun – und wollten es auch auf gar keinen Fall.
    Um seinen guten Willen zu bekunden, bot er schließlich dem Stadtrat eine

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