Die Hexengraefin
zerschlagen, blutend und entstellt.
Ihr müsst nämlich wissen, Monsieur, dass Hasso früher in Helene sehr verliebt war, doch dann hat er sich von ihr abgewandt, als es ihr so elend ging. Und das habe ich ihm nie so recht verziehen – obwohl ich es heute nachvollziehen kann.
Aber jetzt soll er sie sich wieder so vorstellen, wie sie früher war. Obwohl sie jetzt noch viel besser aussieht, gereift und erwachsen.« »Was habt Ihr bloß vor, Geliebte?« Ein wenig war der Comte jetzt beunruhigt. Glaubte seine Frau etwa, ihr Bruder – immerhin ein Graf Ruhfeld mit einer, allerdings weitschichtigen Verwandtschaft zu den stolzen Habsburgern sowie den nicht minder hochfahrenden Visconti – würde ein bürgerliches Mädchen heiraten? Und als bloße Mätresse mochte er sich Demoiselle Hélène nicht vorstellen.
Dann allerdings verbannte er den Gedanken an die Freundin seiner begehrenswerten Frau und widmete sich angenehmeren Dingen, zu denen er auf der Reise viel zu selten gekommen war …
Zum ersten Mal kam dem Comte der Gedanke, wie schön es wäre, ein Kind zu haben. Ja, eine kleine Tochter mit dem Aussehen seiner angebeteten Adelaide, das wäre wunderbar.
Obwohl, ein Junge als Stammhalter wäre natürlich auch höchst willkommen. Er musste mit seiner Schönen unbedingt darüber sprechen – wusste er doch, dass sie bisher mit Hilfe der Freundin eine Empfängnis verhütet hatte. Wenn das sein Schlosskaplan erfuhr …
Vielleicht sind ja meine Adelaide und ihre Hélène doch Hexen, grinste er dann in sich hinein, ehe er sich seiner Frau in ihrem reizvollen, durchsichtigen Nachtgewand zuwandte.
KAPITEL 95
KURZ VOR OSTERN DES JAHRES 1633 brachte Adelheid mit Hilfe des Helen ein Zwillingspärchen zur Welt, einen Knaben und ein Mädchen. Sie und ihr Mann wählten die Namen Philippe-André und Sybilla-Charlotte für ihre Kinder. Bereits eine Woche nach der ziemlich schweren Geburt der Kleinen war die Comtesse wieder wohlauf.
Ihr Gemahl war beinahe verrückt vor Freude und Stolz. Er überschüttete seine Gemahlin, seine vor Mutterglück strahlende Adelaide, mit kostbarem Schmuck und schwor ihr seine immerwährende Liebe. Umgehend schickte man Botschaft nach Deutschland, und jenseits des Rheins nahm man die freudige Nachricht mit Begeisterung auf. Es gab ja so wenig, worüber man sich in diesen Jahren freuen konnte …
Vor Kurzem hatte ein Erdbeben, dessen Auswirkungen bis Basel und Straßburg zu spüren waren, die Gegend am Oberrhein erschüttert.
Diese Erdstöße im Rheingraben zwischen Schwarzwald und dem Wasgenwald – die Franzosen sagten »Les Vosges« (Vogesen) dazu – ereigneten sich nicht selten, aber die letzten waren von solcher Wucht gewesen, dass im Gebiet der Grafschaft Ruhfeld gewaltige Schäden an vielen Gebäuden zu verzeichnen waren. Auf Schloss Ruhfeld hatte das Beben sogar einen Teil der kürzlich verstärkten und erhöhten Schlossmauer sowie die alte Schlosskapelle zum Einsturz gebracht.
Insgesamt waren im Ort Reschenbach durch entwurzelte Bäume, auseinanderbrechende Mauern und herabfallende Dachziegel sieben Menschen, zwölf Stück Großvieh sowie allerhand Kleingetier, wie Hühner und Stallhasen, ums Leben gekommen.
Das abergläubische Volk sah darin ein Vorzeichen weiteren und noch größeren Unheils, das auf das ohnehin ausblutende Deutschland noch zukommen würde. »Die Menschen benehmen sich, als wären sie toll geworden«, schrieb besorgt Vater Ambrosius Feyerling in seinem nächsten Brief an die Gräfin Adelheid, nachdem er der jungen Mutter zu ihren offenbar kerngesunden Sprösslingen gratuliert hatte.
»Habt wohl Acht bei der Auswahl der Ammen für Eure Kleinen«, hatte er geschrieben, und Adelheid war tief gerührt gewesen über die Anteilnahme des alten Mönchs.
Das Folgende aber hatte sie beunruhigt. Alarmiert las sie weiter. »Das unwissende, zutiefst geängstigte Volk sucht nach Erklärungen für das Unheil, das der Himmel so unvermittelt über sie gebracht hat, und zu welchen Ergebnissen kommt es? Es müssen böse Mächte sein, die das zu verantworten haben, und die Werkzeuge des Bösen können nur – Hexen sein. So schleicht sich durch die Hintertür wieder der alte Unsinn ein, und den ungebildeten Leuten ist der Blödsinn nicht auszureden«, beklagte Ambrosius. »Es ist beinahe so schlimm wie in den Jahren 1607 und 1618, wo jeweils im Herbst ein großer Komet mit flammendem Schweif am nächtlichen Himmel erschienen war. Damals fürchtete sich das Volk vor der Ankündigung
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