Die Hexengraefin
vermisste Adelheid: Pechvogel Wilhelm von Kirchhofen. Der unglückliche Verehrer der Gräfin und schuldbeladene Duellant hatte kürzlich um Entlassung aus Ferfrieds Diensten gebeten und war nach Ungarn geritten. Er habe eine wichtige Nachricht zu überbringen und anschließend wolle er dort bleiben. Kurz darauf erfuhr sie den Grund dafür.
Man feierte, man tafelte, man ging zur Jagd, woran auch Graf Ferfried und seine Freunde, die mittlerweile ergrauten Haudegen Graf Rüdiger von Hohlfeld, Ritter Moritz von Glarus sowie Herr Bruno, Edler von Steinberg, mit ihrem jeweiligen Anhang teilnahmen.
Adelheid und Bernard hatten dem stolzen Großvater ein Gemälde als Geschenk mitgebracht, das seine Tochter mit den beiden Zwillingen Philippe-André und Sybilla-Charlotte auf dem Schoß zeigte, eine Gabe, die den alten Grafen zu Tränen gerührt hatte. Er würde das Bild neben das andere, das Adelheid als junges Mädchen zeigte, hängen lassen.
Um seine grenzenlose Freude über den Besuch seiner »verlorenen Tochter« zu bezeugen, ließ es der ansonsten recht sparsame Hausherr an nichts fehlen. Er übersah dabei sogar geflissentlich die finstere Miene seines Schlossvogts Anselm von Waldnau, der seinen Herrn besorgt vor zu großen Ausgaben gewarnt hatte.
»Ganz egal, was mich das kostet«, hatte Ferfried gebrummt, »die anderen können ruhig wissen, wie sehr mich die Anwesenheit meiner Tochter und meines Schwiegersohnes freut.«
Mit den »anderen« meinte er die Bewohner der umliegenden Schlösser, so auch den jungen Grafen von Schloss Ortenberg, der mit seiner ältlichen, wenig hübschen, schwäbischen Gemahlin, die ein reichlich verbittertes Gesicht zur Schau trug, angereist kam.
Und der Schultheiß von Offenburg zählte genauso zu Ruhfelds Gästen, wie hohe, schwedische Offiziere, mit denen man es sich nicht verderben wollte.
»Ja, unser Vater entpuppt sich immer mehr als Fuchs, je älter er wird«, lachte Hasso, als er sich in einer Fensternische des prächtig geschmückten Festsaales endlich allein mit seiner Schwester unterhalten konnte. Beide Geschwister waren glücklich, Ferfried bei so guter Gesundheit zu erleben.
»Mein Sohn, sein Enkel, hat ihn wieder ganz gesund gemacht«, vermutete der junge Graf, »und dazu die liebevolle Pflege von Frau Bürgi.«
Die bescheidene Frau Salome hatte Ferfried geradezu zwingen müssen, dass sie überhaupt an den Festivitäten teilnahm.
»Ich gehör doch nicht zur erlauchten Familie«, hatte sie schüchtern abgewehrt, aber der alte Graf hatte diese Ausrede nicht gelten lassen und ihr vehement widersprochen. »Ohne dich wär ich gar nicht mehr da, Sali.«
Hasso nahm seine Schwester am Arm und zog sie in einen noch stilleren Winkel.
»Ich verrate dir jetzt zwei Geheimnisse, Adelheid. Das erste behalte bitte für dich. Außer zu deinem Gatten sprich zu niemanden darüber, denn es betrifft nur unseren Vater. Und das zweite wird in Kürze allen sowieso offenbar werden; dann gibt es auf Ruhfeld ein weiteres Fest, von dem die ganze Ortenau noch lange sprechen wird.«
Adelheid de Grandbois lauschte aufmerksam, ohne ein einziges Mal den älteren Bruder zu unterbrechen. Als Hasso geendet hatte, fiel sie ihm um den Hals, weinte vor Freude und drückte ihn fest an sich.
Dann begaben sich die beiden wieder in den Ballsaal, wo die schöne Gräfin schon sehnsüchtig von den übrigen Kavalieren erwartet wurde – und vor allem ihr Bruder von den jungen Damen, die auf der Suche nach einem standesgemäßen Bräutigam waren.
KAPITEL 98
BEI DER ERSTEN BEGEGNUNG HELENES mit ihren Eltern Jakob und Walburga hatte Adelheid die Freundin allein gelassen.
»Dieser Augenblick nach der langen, schweren Zeit gehört euch ganz allein«, hatte die Comtesse gemeint, und obwohl Helene lebhaft protestierte, war sie doch insgeheim froh gewesen über das Feingefühl ihres geliebten Heidi.
Minutenlang waren sich die drei vom Schicksal so hart geschlagenen Menschen weinend in den Armen gelegen, ehe sie sich halb lachend, halb schluchzend ihrer gegenseitigen Liebe versicherten.
Nach einer Weile war das jetzt fünfzehnjährige Jaköble still hinzugetreten und hatte die »verlorene Tochter« des Hauses scheu begrüßt.
»Himmel«, entfuhr es der jungen Frau, »was bist du bloß gewachsen, Bub.«
Sie umarmte den höchst verlegenen Halbwüchsigen, der bereits einen Kopf größer war als sie. Dann betrachtete sie ihn schärfer und warf schließlich den Eltern einen fragenden Blick zu.
»Ja, ja, du siehst schon
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